Deswegen soll der Begriff Rasse, wenn es nach den Grünen geht, aus dem Grundgesetz gestrichen werden. Ich empfehle zusätzlich schleunigst in Anlehnung an das Gender-Mainstreaming-Modell, etwa 250 Rassismus-Lehrstühle an deutschen Unis einzurichten.
Wenden wir uns dem (Alltags-) Rassismus zu. In der Bevölkerung, bei der Polizei. Zahlreiche Politiker, wie z. B. Strobel,Esken, Pistorius haben sich geäußert. In unseren Medien wird mit-und-mit Corona vom allgegenwärtigen Rassismus hier, in der USA, weltweit verdrängt.
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Meine Meinung:
Die Diskussion in Deutschland ist vollkommen an den Haaren herbeigezogen. Ich behaupte, dass es Menschen, die eine andere Hautfarbe haben, in Deutschland so gut geht, wie praktisch nirgendwo auf der Welt.
Es gibt immer Idioten, die sich gegenüber anderen Menschen unangemessen – blöd, unverschämt bis hin zu gewalttätig – verhalten. Idioten jedweder Hautfarbe. Von einem strukturellen Rassismus in Deutschland zu sprechen, halte ich für dämlich-herrliche Propaganda von „Aktivisten“, die eine andere Republik wollen.
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Der Lichtblick:
Lisa Marie Kaus hat eine hervorragende Abhandlung über das, was so Rassismus genannt wird, geschrieben:
Es fängt morgens beim Zähneputzen an. Alte weiße Männer sollen endlich mal den Mund halten, schmettert mir eine Demonstrantin der Black-Lives-Matter-Proteste in Berlin entgegen, als ich den Deutschlandfunk anschalte. Ich öffne meine E-Mails und in Steingarts Morning Briefing stellt Markus Söder mal wieder fest, dass mit der AfD Antisemitismus und Rassismus ins Parlament eingezogen seien. Saskia Esken spricht in einem Interview mit der Funke Mediengruppe von „latentem Rassismus“ bei der deutschen Polizei. Die neue Wehrbeauftragte Eva Högl ruft vor ihrer Vereidigung zu einem „stärkerem Engagement gegen Rechtsextremismus in der Bundeswehr“ auf. Alte weiße Männer, 23,4 Prozent der Thüringer Wähler, die Polizei, die Bundeswehr. …
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… Und wo kann man sie besser bekämpfen als auf Instagram? Richtig, Instagram. Die Bucht, in der sich die Empörungswellen brechen, die meine Generation der Millenials und die der ab 1995 Geborenen, unreflektiert aber begeistert immer wieder reiten. Aktuell hat man ein schwarzes Quadrat zu posten. Sonst ist man ein Rassist. Vorher musste man sein Profilbild mit Fridays for Future grün unterlegen. Sonst war man irgendwie auch ein Nazi. Beim Posten zu Black Lives Matter gibt es allerdings unterschiedliche Vorgaben, was akzeptabel ist – und zwar – Überraschung – je nach Hautfarbe. Weiße agieren zurückhaltend, betonen häufig, dass sie noch so viel zu lernen haben und vor allem, dass sie selbst Teil des Problems seien. Schwarze geben die Antworten. Einfach, weil sie schwarz sind. Eine weiße Aktivistin aus Berlin gibt hilfreiche Tipps für ihre weißen Follower, die gerne bei Black Lives Matter mitlaufen möchten: Schwarze vorne, Weiße hinten, zurückhaltend sein, bei manchen Gesängen nicht mitsingen – das dürften nur Schwarze! War es früher en vogue, mit sanfter Stimme zu versichern, man sehe keine Farben, nur Menschen, hat man sie heute wieder nach Farben zu sortieren.
Eins ist absolut klar, selbstverständlich: Black Lives do Matter. Natürlich. Das Video von George Floyds Festnahme und Todeskampf ist unerträglich. Ich habe es mir nicht ansehen können. Natürlich darf man darüber erschüttert, entrüstet und wütend sein. Plündern darf man nicht. Wenn man an den Rechtsstaat glaubt, bräuchte man nicht mal zu demonstrieren. Es geht doch auch niemand auf die Straße, wenn ein Weißer durch einen schwarzen Polizisten erschossen wird. In diesem Fall würde man auch nicht sofort von Rassismus ausgehen. Vielleicht waren die Polizisten, die für George Floyds Tod verantwortlich waren, egal ob aktiv oder passiv, auch gar keine Rassisten, sondern einfach nur brutale unmenschliche Cops im absolut falschen Job. Das würde das Verbrechen nicht weniger schlimm machen.
Überhaupt hat niemand, der halbwegs zurechnungsfähig ist und irgendwas zu sagen hat, in den letzten Wochen je behauptet, dass Black Lives nicht wichtig wären. Die Proteste in Berlin, Köln, München und sonst wo müssen hier nichts klarstellen. Wenn Klara-Sophia aus Schwabing am Samstag auf dem Königsplatz zusammen mit 25.000 Anderen niederkniet, den Kopf senkt, die Augen schließt und die geballte Faust in die Höhe streckt, hat sie keinerlei Konsequenzen zu befürchten. Ich bin mir nicht mal sicher, ob sie weiß, welches Symbol sie da verwendet. Der Gegenwind, der John Carlos und Tommie Smith 1968 entgegenschlug, war wesentlich schärfer.
Überall Rassismus erkennen
Die politische Empörungswelle, die über Instagram auf unsere Straßen schwappt, ist emotional und nicht rational. Das ZDF heute journal postet eine Grafik und kündigt an, damit nun Fakten über Emotionen walten lassen zu wollen. Die Grafik schlüsselt die Todesopfer durch Polizeigewalt in den USA nach Ethnie auf. Je eine Millionen Einwohner (wiederum nach Ethnie) wurden seit dem 1. Januar 2015 30 schwarze, 23 Hispanic und 12 Weiße durch Polizisten getötet. Wenn Sie sich fragen, wo ihre acht Milliarden Rundfunkbeitrag hinfließen, in Datenaufbereitung schon mal nicht. Mit dieser quantitativen Aufstellung endet bereits der investigative Journalismus des heute journals. Mit einer solchen Dateninterpretation würde man nicht durch die Statistik I Klausur an der Uni kommen. Unerwähnt bleibt zum Beispiel, dass Schwarze oder Afro-Amerikaner 13 Prozent der Bevölkerung ausmachen, allerdings gemäß der FBI Kriminalitätsstatistik 2017 für 53,1 Prozent aller Morde verantwortlich waren. Eine vermehrte Verwicklung in schwere Kriminalität erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dabei von der Polizei erschossen zu werden. Tatsächlich kommt der Harvard Ökonom Roland Fryer zu dem Ergebnis, dass, wenn man solche und andere Effekte berücksichtigt, Schwarze nicht häufiger von der Polizei getötet werden als Weiße. Dieses Argument, das als der Beweis des strukturellen Rassismus in den USA gilt, stützt sich nicht auf die verfügbaren Daten.
Fast könnte man meinen, es gebe in Deutschland gerade wichtigere Themen als die amerikanische Innenpolitik. Zumal, da man diese als deutscher Staatsbürger sowieso nicht beeinflussen kann. Aber der strukturelle oder institutionalisierte Rassismus hat mehr mit dem aktuellen Tagesgeschehen hier zu tun, als Sie denken. Benjamin Bauer, Stadtrat der Grünen in Karlsruhe, ordnet das auf Twitter für uns ein: „Sollten durch die Demos neue Corona-Fälle auftreten, gehen sie aber auf die Rechnung des institutionalisierten Rassismus. Er treibt die Menschen in die Verzweiflung und auf die Straßen.“ Institutioneller oder struktureller Rassismus ist der Begriff der Stunde. Forderte man vor einigen Monaten noch Klimagerechtigkeit, geht es nun eben darum.
Was ist struktureller Rassismus? Anders als individueller Rassismus, der ein einzeln handelndes Individuum betrachtet, geht der strukturelle Rassismus davon aus, dass die Gesellschaft an sich rassistisch ist. Damit sind wir wieder am Anfang. Alte weiße Männer, 23,4 Prozent der Thüringer Wähler, die Polizei, die Bundeswehr. Überall Rassisten. In der soziologischen Literatur lerne ich, dass es struktureller Rassismus ist, wenn ein Schwarzer im Zug bezüglich seines Aufenthaltsstatus von Zollbeamten kontrolliert wird. Es ist zumindest strukturelle Diskriminierung, dass in den Schulen Schüler mit Migrationshintergrund gemäß ihrer Deutschkenntnisse bewertet werden und dabei außer Acht gelassen wird, dass sie sich vielleicht sehr gut in ihrer Muttersprache ausdrücken können. Es ist struktureller Rassismus, wenn Frisöre nicht wissen, wie sie die Haare eines schwarzen Mädchens schneiden sollen, ohne dass es am Ende total bescheuert aussieht. In diesem Definitionsrahmen kann es auch keinen Rassismus gegen Weiße geben, so erläutert es die Soziologin Natasha Kelly. Rassismus als strukturelles und nicht als individuelles Problem muss demnach immer auch im historischen Kontext betrachtet werden. Nur der, dessen Vorfahren kolonialisiert und unterworfen wurden, könne auch wirklich Rassismus erfahren.
Stelle keine Fragen!
Hier erklären sich die Tipps der Aktivistin auf Instagram. Wenn man sich als Weißer nun zurückhält, kann man vielleicht ein bisschen wiedergutmachen, dass in der Vergangenheit Schwarze durch Weiße unterdrückt wurden. Schuldig qua Geburt und Opfer qua Geburt. Die einen laufen stumm hinten, die anderen dürfen nun voranschreiten. Die Zugehörigkeit zur Gruppe ist dabei das entscheidende. Nur wer zur Gruppe der Weißen gehört, kann auch ein Rassist sein, weil er für die Verbrechen seiner vermeintlichen Vorväter die Verantwortung trägt. Ein Schwarzer hingegen trägt diese historische Verantwortung nicht und kann somit kein Rassist sein.
Mein Ausflug in die Soziologie endet hier. Vor allem auch, weil ich den Großteil der Texte nicht verstehe. Ich bin wohl eher „ein Bär von sehr geringem Verstand“. Außerdem habe ich vor einigen Monaten Marcuse gelesen und bin immer noch erschöpft. Die soziologischen Abhandlungen, die Zeitungsartikel, Fernseh- oder Rundfunkbeiträge, die Podcastfolgen und die Interviews zu strukturellem Rassismus, die ich gelesen, gesehen oder gehört habe, greifen durchaus auf, dass die meisten Menschen die Aussage, dass die gesamte Gesellschaft und nicht einzelne Individuen rassistisch seien, ablehnen. Wie bei einer Verschwörungstheorie führen sie diese Ablehnung jedoch als Bestätigung ihrer These an. Die soziologischen Beiträge bleiben unspezifisch, sind hoch normativ und stellen vor allem Behauptungen auf. Das kenne ich aus der Wissenschaft gar nicht. Es scheint hier nicht um die Diskussion und Falsifikation von Ideen und Argumenten zu gehen, sondern um die Bekämpfung angeblicher Herrschaftsverhältnisse. Es ist ein perfektes Fundament einer Ideologie. Recke die Faust, poste das schwarze Quadrat, marschiere, schreie. Stelle keine Fragen.
Ich kann die Kraft dieses unspezifischen Erklärungsmusters, das damit jedem mit Migrationshintergrund an die Hand gegeben wird, nachvollziehen, denn auch ich gehöre einer Minderheit an. Nicht aufgrund meiner Größe von 1 Meter 58, sondern weil ich eine Frau bin. Ja, folgen wir den Soziologen, so werde auch ich diskriminiert. Und ich muss zugeben, dieses Narrativ, der strukturellen Benachteiligung der Frau, hat Charme. Ich erwische mich manchmal dabei zu denken: „Pah, wäre ich ein Mann, wäre meine Wortmeldung gerade ganz anders aufgenommen worden.“ oder auch „Pah, natürlich ist der Kollege besser vernetzt. Als Frau kann ich die männlichen Seilschaften nicht toppen.“ Habe ich Daten, die diese Thesen stützen? Nein. Fühlen sie sich erst mal gut an, als Rechtfertigung für Misserfolge? Ja. Natürlich kann es sein, dass ein potenzieller Arbeitgeber in einem Bewerbungsprozess bei gleicher Qualifikation lieber einem Mann den Vortritt lässt, weil er ihn subjektiv als kompetenter einschätzt oder weil er bei ihm davon ausgehen kann, dass er in der nächsten Zeit nicht schwanger wird. Mein Merkmal „Frau“ ist offen erkennbar, und mein Gegenüber kann mit der Information machen, was er will – auch wenn es zu meinem Nachteil ausfällt. Das ist ein Preis der Freiheit, den ich gerne zahle
Auch der Rassismus-Vorwurf nutzt sich ab
Ich möchte gar nicht behaupten, dass es keinen Rassismus gibt. Echte Rassisten sind allerdings glücklicherweise eine kleine Gruppe, und ich sehe sie in keiner Weise Mehrheiten gewinnen. Viel eher haben wir ein Problem mit positivem Rassismus. Jeder, der das deutsche Bildungssystem durchlaufen und zum Beispiel, wie ich, Ben liebt Anna in der Grundschule lesen musste, oder der die Lindenstraße schaute, als es sie noch gab, kennt das Bild des guten Ausländers und des hässlichen Deutschen.
Wir sind keine rassistische Gesellschaft, und die anekdotischen Evidenzen, die von denen ins Feld geführt werden, die die gegenteilige These vertreten, taugen nicht zur Falsifikation der meinigen. Das Argument des strukturellen Rassismus ist so schwammig, dass es unwiderlegbar ist. Gleichzeitig überdehnt es den Rassismusbegriff so sehr, dass man fast vergisst, dass es Zeiten gab, in denen wirklich ein institutionalisierter Rassismus, also eine gesetzlich festgeschriebene Benachteiligung von Minderheiten herrschte. Genauso wenig, wie es hilft, alles und jeden als Nazi zu beschimpfen, ist es hilfreich, alles und jeden als Alltagsrassisten zu betiteln. Auch dieser Vorwurf nutzt sich ab und führt zur Gegenreaktion. Mit einer Gesellschaft, die den Rassismusvorwurf nicht mehr hören kann, lässt es sich dann auch nicht mehr über die Fälle von tatsächlichem Rassismus sprechen. Das Denken in Kategorien hingegen – schwarz, weiß, Mann, Frau, dick, dünn usw. – und das ist es, was mit dem Begriff des Alltagsrassismus meist angeprangert wird, werden wir dem Menschen nie austreiben. Jeder hat Vorurteile. Das ist eine Heuristik, eine Art Daumenregel, mit der man in einer komplexen Welt, in der man nie alle Informationen vorliegen haben wird, schnell Entscheidungen treffen kann. Das Leben besteht nun mal aus Zurückweisung, Fehlschlägen und unfreundlichen Menschen. Es gibt kein Recht darauf, sich immer gut zu fühlen. Menschliche Interaktion kann verdammt unangenehm sein. Aber such is life, meine Damen und Herren.
Churchill war ein Rassist, so sprühten es Black-Lives-Matter-Demonstranten am vergangenen Samstag auf den Sockel der Statue des ehemaligen Premierministers. Kants Schriften? Rassistisch! Mit der Brille des strukturellen Rassismus auf der Nase muss man diese historischen Wurzeln der rassistischen westlichen Gesellschaft freilegen. Setzt man sie wieder ab, möchte man den Demonstranten am Parliament Square entgegenrufen: „Oh, ihr meint, Churchill sei ein Rassist? Wartet mal ab, bis ihr von dem Typen hört, den er besiegt hat!“
Eigentlich wollte ich gar nichts zu diesem Thema schreiben. Ich will nicht jede Empörungswelle reiten, habe mich auch schon für Fridays for Future nicht interessiert, und mein Mann hat gesagt, ich muss echt nicht über jedes Stöckchen springen, das mir hingehalten wird. Es geht bei dieser Debatte auch gar nicht um Rassismus oder um die Verbesserung der „Black Lives“. Es geht um Herrschaft. Es geht um Deutungshoheit. Es geht darum, die Massen zu lenken. Und sie versammeln sich und beugen das Knie, in München, Berlin und Washington. Wehe dem, der den Gesslerhut nicht grüßt! Vor allem aber haben wir wirklich ganz andere Probleme. Laut Statistischem Bundesamt ist im April die Produktion im produzierenden Gewerbe um 18 Prozent zurückgegangen. Darunter fällt die Produktion der Autoindustrie mit einem Minus von 75 Prozent. Der deutsche Export ist um mehr als 30 Prozent eingebrochen. Surfen macht nur bei schönem Wetter Spaß. Wenn es stürmt, geht sowieso keiner mehr an den Strand.
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Meine Meinung zur Causa Floyd:Hier klickenDa meint doch ein Demografiebeauftragter, der gute George sei ein Gewaltverbrecher gewesen: Hier klicken
Klar, war er auch! Will nur niemand wissen. Im Rausch der Proteste, die alle friedlich und harmlos sind. Wie unser George es war!
… der in seinem aktiven Arbeitsleben im diplomatischen Dienst der Bundesrepublik (Schwerpunkt Afrika) tätig war, dass in Berlin Corona vorbei sei. Niemand, außer ältere deutsche Bürger, hielte sich an irgendwas.
Abstand: Was ist das?
Mundschutz: Quatsch!
Die Polizei greift nicht ein. Wäre ja wohl auch Rassismus.
Ich finde es gut, wie uns die kürzer hier Lebenden zeigen, wohin der Hase läuft. Anything goes!
Zum aktuellen Artikel „Woher kommt der Strom?“ 22. Woche mit Infos über den Minderausstoß CO2 dank Corona und die Auswirkungen auf den weltweiten CO2-Ausstoß ´von Menschen gemacht` & zum Energiewende-Paradoxon: Hier klicken
Schweden hat mit seiner von wenigen Restriktionen gekennzeichneten Strategie – sie baut auf gegenseitiges Vertrauen zwischen Bürgern und Behörden und nicht auf Zwang – schnell weltweit Aufmerksamkeit erregt. Schulen und Kitas blieben von Anfang an geöffnet, es gibt keine Mundschutzpflicht und Versammlungen sind mit bis zu 50 Personen erlaubt. Während Kritiker im In- und Ausland angesichts der relativ vielen Todesfälle warnend den Finger heben, ist das Land im Norden Europas zum Vorbild für Menschen geworden, die die Beschränkungen in ihren Ländern für überzogen halten. …
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Interview hören:
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… Allerdings räumte selbst Anders Tegnell, Schwedens Chef-Epidemiologe Anfang Juni ein, dass das schwedische Vorgehen nicht ohne Fehler gewesen sei. Es seien zu viele Schweden zu früh gestorben, sagte Tegnell im Interview mit dem Schwedischen Rundfunk. Diese bis dato ungewohnt selbstkritischen Worte von jenem Mann, der die schwedische Strategie maßgeblich zu verantworten hat, überraschten viele.
Der erste Fall in Schweden wurde am 31. Januar gemeldet. Es handelte sich um eine junge Frau in Jönköping, die von einer Reise aus Wuhan zurückgekehrt war. Sie wurde am 4. März als geheilt entlassen. Insgesamt zählte das Land bis Ende Mai mehr als 36.000 Infizierte und mehr als 4.000 Tote – weit mehr als etwa die Nachbarländer Dänemark, Norwegen und Finnland.
Die schwedische Herangehensweise sorgt bei anderen Ländern für Unbehagen. Deshalb zögern viele europäische Länder und vor allem die Nachbarn, ihre Grenzen für Schweden zu öffnen. Gewissheit darüber, wie viele Menschen tatsächlich infiziert sind und waren, gibt es nicht, denn das Land hat nur in geringem Umfang getestet. Zwar wurde Anfang April von der Regierung gefordert, 100.000 Tests pro Woche durchzuführen. Ende Mai waren es jedoch nicht einmal 30.000.
In Zusammenhang mit der schwedischen Strategie wird viel von Herdenimmunität gesprochen. Die Gesundheitsbehörde hat zwar von Beginn an erklärt, dass diese nicht das offizielle Ziel sei, im Laufe der Wochen wurde sie jedoch immer wieder in sehr unterschiedlichen Schätzungen erwähnt.
Problematisch ist vor allem die hohe Rate von älteren Menschen, die an Covid-19 sterben. Laut offiziellen Angaben sind 90 Prozent der Verstorbenen mehr als 70 Jahre alt. Dies hängt mit immer wieder dokumentierten mangelhaften Verhältnissen in Altenheimen und bei Pflegediensten sowie der eingeschränkten medizinischen Versorgung alter Menschen zusammen. Was die Wirtschaft betrifft, so ist die Situation trotz der lockeren Schutzmaßnahmen angespannt. Die Konjunktur ist eingebrochen und die Arbeitslosigkeit auf 8,6 Prozent gestiegen. Dies hängt vor allem mit einer hohen Exportabhängigkeit des Landes zusammen. Auch Hotels und Gaststätten mussten Einbußen hinnehmen.
bei der WDR – Fernsehsendung Corona in 5 Minuten daher. Es ist eine ´Sonderabteilung` von Quark und Co., sorry, Quarks & Co, eines der Flaggschiffe der öffentlich-rechtlichen Medien zwecks Erklärung der Welt im Sinne des Mainstreams, nicht unbedingt im Sinn der Wirklichkeit. Das ist meine Meinung.
Apropos Wirklichkeit: Ein schönes Beispiel liefern die Ausführungen in der Sendung vom 9.6.2020. Das wichtigste vorab. Es ist zahlenmäßig alles korrekt, was in Sachen Übersterblichkeit berichtet wird. Nur der Gesamtrahmen der Daten wird verlassen. Dadurch entsteht ein sehr spezielles Bild, welches die Wirklichkeit verzerrt:
Die Manipulation liegt in der Betrachtung der entscheidenden Wochen. Werden diese in das Gesamtbild der Sterblichkeit seit Beginn des Jahres 2020 eingeordnet, sieht das so aus:
Auf einmal erkennt der Betrachter, dass die Corona-Toten (rote Linie) nur einen minimalen, einen marginalen Anteil am gesamten Sterbegeschehen in Deutschland haben. Darüber hinaus ist der blaue Sterbebuckel, der ja tatsächlich vorhanden ist, ein fälliger Ausgleich für das Sterbetief bis zur 12. Woche 2020. Im ersten Quartal 2020 lag die Sterblichkeitsrate in Deutschland sowohl unter dem langjährigen Durchschnitt, als auch fast immer unter dem des Jahres Grippejahres 2018.
Klicken Sie auf die Quelle und fahren Sie mit Maus oder Finger über die Linien. Die Daten zur jeweiligen Woche ploppen auf.
Der Kurzbericht zur „Übersterblichkeit“ …
… passt sehr gut zur Obrigkeitshörigkeit und Willfährigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks/Fernsehens. Der Zuschauer wird verschaukelt. Er soll dumm gehalten* werden, sein Angstlevel soll hoch bleiben.
*Wirtschaftkapitän zum Lehrer, zum Politiker, zum Redakteur: Haltet ihr sie dumm, ich mache den Rest!
Weil er für Beurteilung der aktuellen Lage in Sachen Corona wichtig und unabdingbar ist, zitiere ich ihn weitgehend.
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Das Menschenexperiment
Wir wissen nicht, ob Corona verschwindet oder bleibt. Aber schon jetzt steht fest:
Im Zweifel sind wir bereit, dem Schutz vor dem Virus fast alles unterzuordnen. Über die unerträgliche Leichtigkeit des Freiheitsverzichts
Wir leben in einer Pandemie! So lautet die offizielle Weltbeschreibung im Sommer 2020. Paketboten, Lehrer, Nachrichtensprecher, Barkeeper, Politiker sprechen den Satz wie ein Mantra aus, mal seufzend, mal streng, manchmal auch schulterzuckend abgekürzt: Pandemie! Der Hinweis hat den Charakter einer Letztbegründung, eines Axioms unserer Tage, daraus leitet sich alles andere ab.
Die Sprache ist das älteste und mächtigste Werkzeug, mit dem wir Menschen unsere Welt gestalten. In dieser Gestaltung herrscht keine Beliebigkeit, wohl aber Freiheit. Denn natürlich könnte man die Welt, in der wir leben, auch ganz anders beschreiben: Wir leben in einem intensiv duftenden Juni, wir leben in einer globalen Dürreperiode, wir leben in einer parlamentarischen Demokratie, wir leben in einem Albtraum, wir leben unter dem Schutz des Grundgesetzes, wir leben in einer Balkenspiralgalaxie. Doch all diese Sätze sind gerade grau hinterlegt, als Zugang zur Gegenwart leider nicht anwählbar. Es gilt die eine, die Masterbeschreibung: Pandemie.
Unter „Corona-Leugnern“
Wer vergisst, diese Prämisse in seine Überlegungen einzubauen, wer sich gar weigert, sie als unumstößliches Argument anzuerkennen, der wird verbannt, und zwar ins Lager der „Corona-Leugner“. So lautet der inzwischen amtliche Sammelbegriff für die Kritiker und Skeptiker, Zweifler und Unbelehrbaren, die sich das Axiom von der Pandemie nicht ausdrücklich zu eigen machen – oder auch nur die Frage aufwerfen, ob sie eine hinreichende Begründung ist für die Totalverwandlung der politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Sphäre, deren Zeugen wir in den letzten Monaten waren.
„Corona-Leugner“: Diese diskursive Weiterentwicklung des „Klimaleugners“, in dem bereits die Verworfenheit des „Holocaustleugners“ und des archaischen „Gottesleugners“ mitklang, ist ein Alarmsignal. Denn sie steht für die gefährliche, zutiefst antiaufklärerische Tendenz, auch legitime Kritik als Verleugnung von Fakten zu diffamieren. Wir trainieren uns ab, die Welt als einen Schauplatz und Gegenstand menschlicher Freiheit zu betrachten. Schließlich leben wir, so das Glaubenssystem unseres Zeitalters, in einer völlig eindeutigen Situation, aus der sich ganz klare Handlungsanforderungen ableiten, und das mit wissenschaftlicher Stringenz. Aus der Feststellung der Pandemie ergeben sich so „zwangsweise“ politische Maßnahmen, die nur Verrückte infrage stellen können.
Das mag sich vernünftig anhören, es ist aber selbst ideologischer Wahnsinn. Eine Politik, die ihre Entscheidungen nur noch aus Infektionskurven ableitet, hat nicht nur nichts mit einem reflektierten, multiperspektivischen Wissenschaftsbegriff zu tun – nein, schlimmer, es handelt sich bei ihr auch gar nicht mehr um Politik.
„Es steht uns frei, die Welt zu verändern und in ihr etwas Neues anzufangen“, so hat die Philosophin Hannah Arendt den Sinn des Politischen erklärt. „Ohne die geistige Freiheit, das Wirkliche zu akzeptieren oder zu verwerfen, ja oder nein zu sagen, ohne diese geistige Freiheit wäre Handeln unmöglich. Handeln aber ist das eigentliche Werk der Politik.“
Wo ist diese fundamentale Freiheit geblieben, die sogar der Wirklichkeit überlegen sein soll, weil sie den Menschen aus der Sphäre der bloßen Notwendigkeiten heraushebt, ihn aus dem ewigen Kreislauf seiner biologischen Existenz befreit? In der griechischen Polis, die Arendt immer im Hinterkopf hatte, mag das ja eine gute Idee gewesen sein, vielleicht auch im Jahr 1963, als sie die Sätze im amerikanischen Exil niederschrieb.
Gesellschaft als infektionshygienische Katastrophe
Aber jetzt gerade ist das halt keine Option, sorry! Wir leben in einer Pandemie, sind auf der Ebene unserer Zellstruktur bedroht, der Staat muss unser nacktes Leben schützen. Da ist es nun einmal angezeigt, auf „gewisse Freiheiten“ zu verzichten, wie es oft mit hämischem Unterton heißt, natürlich – jetzt wieder beschwichtigend – „nur vorübergehend“. Wobei dieses „vorübergehend“ immer seltsam vage bleibt. Die Überlastung unserer Intensivstationen, die durch die Restriktionen ursprünglich verhindert werden sollte, mancher mag sich wie durch einen Nebel daran erinnern – sie ist längst in unendliche Ferne gerückt, die eilig hochgezogenen Notkrankenhäuser stehen leer. Der umfassende Schutz, die Verhinderung von Infektionen ist Selbstzweck geworden.
Wenn eine Demonstration von Berliner Ravern in Schlauchbooten zu einem Zeitpunkt, an dem es rund 7000 aktive Corona-Fälle in Deutschland gibt und Aerosol-Infektionen im Freien wissenschaftlich als zweitrangig gelten, ein absolutes Skandalon darstellt, auf die das Land voll Hass und Abscheu blickt, wenn feiernde Roma-Familien in Göttingen als „infektionshygienische Katastrophe“ gelten – wann genau sollen diese sozialen Ereignisse dann keine Katastrophen mehr sein, sondern wieder etwas schräge Ausformungen jenes Konzepts, das seit der Antike Öffentlichkeit heißt und auf der unberechenbaren Begegnung von Menschen im Raum basiert?
Wann genau wird man wieder damit aufhören, Fotos von „unkontrollierten“ Menschenansammlungen – vom Fotografen oft aus so schräger Perspektive aufgenommen, dass man die tatsächlichen Abstände gar nicht einschätzen kann – als Skandale, die Abgebildeten als sozialen Schmutz zu behandeln und mit dem entsetzlichen Hashtag „Covidioten“ zu versehen?
Bei null werden die Infektionszahlen niemals ankommen, „wir werden mit dem Virus leben müssen“, wie der kluge, pragmatische und menschlich denkende Virologe Hendrik Streeck sagt. Oder, wie Markus Söder jüngst, allerdings weniger pragmatisch, in der WELT AM SONNTAG formulierte: „Corona ist und bleibt tödlich.“ Das ist wahr, zumindest in 0,3 bis 0,7 Prozent aller Fälle. Aber ein Verfallsdatum hat die Tautologie, die der bayerische Ministerpräsident als politisches Argument ins Feld führte, eben nicht.
Die Toten der anderen
Aber stimmt es denn nicht? Leben wir nicht in einer Welt, in der sich eine gefährliche Infektionskrankheit ausbreitet? Zweifelsfrei – und übrigens nicht nur eine. Rund 400.000 Corona-Tote zählt die WHO Anfang Juni. Laut den Statistiken derselben Organisation sterben jedes Jahr 290.000 bis 650.000 Menschen an der saisonalen Grippe. Im Jahr 2018 gab es unglaubliche 1,5 Millionen Tote durch Tuberkulose, 140.000 durch Masern, 405.000 durch Malaria.
All das sind ebenfalls pandemische Erkrankungen. Trotzdem starb keines ihrer Opfer „in einer Pandemie“: Sie starben im Krankenhaus, auf der Parkbank, im Schoß der Familie, in der einsamen Wohnblockwohnung. Keiner dieser Millionen von Toten wurde mit Name und Hobby auf der Titelseite der „New York Times“ gewürdigt, kein schrecklicher Todeskampf dokumentiert, keinem Leichenwagen lauerte ein Kamerateam auf, kein eilig ausgeschachtetes Armengrab wurde fotografiert.
Und, was sagen uns diese Zahlen? Sie sagen uns nichts. Wie alle Daten müssen sie zum Gegenstand von Deutungen werden, um etwas zu bedeuten. Dieses Wissen haben wir in den letzten Wochen so erfolgreich verdrängt, dass schon der Versuch, ein Fragezeichen hinter den Sinn all der schwankenden Infektions-, Todes-, R- und Viruslast-Zahlen zu setzen, mit denen wir täglich bombardiert werden, als „Corona-Relativierung“ zu Buche schlägt.
Apropos Relativierung: Den Zahlenvergleich gerade eben hat die „Tagesschau“ zusammengestellt – und das in ihrem „Faktenfinder“ –, am 3. Februar 2020. Der Artikel heißt „Ist die Angst berechtigt?“ und steht immer noch im Netz. Allein die Frage wirkt heute skandalös. Angst mag bei anderen Gefahren ein zwiespältiges Gefühl sein, das uns Vorsicht gebietet, das wir im Namen der Handlungsfreiheit aber auch überwinden können – etwa beim drohenden Herzinfarkt wegen Stress im Job, der Gefährdung des eigenen Lebens, aber auch Dritter im Straßenverkehr, der niemals ganz ausgeschlossenen Krebserkrankung, die unendlich viele Gründe in der eigenen Lebensführung oder in Umwelteinflüssen finden mag.
Im Fall von Corona aber ist die Angst nicht nur berechtigt, sie ist gleichsam verpflichtend und verlangt nach absolutem Schutz, wie ihn sich Thomas Hobbes in seinem dystopischen Staatsgebäude ausgemalt hat. Die Bundesregierung hat diese lange Zeit lähmende Angst mitzuverantworten, ein Strategiepapier des Innenministeriums empfahl im März die Kommunikation von grotesk übertriebenen Horrorszenarien. Die Sehnsucht nach der Freiheit hingegen, dieser andere Pol der menschlichen Existenz – sie hat in der Pandemie gefälligst zu schweigen. Und das tut sie auch, erschreckend brav, mit wenigen Ausnahmen.
„Maßnahmen, die in Deutschland unüblich wären“
Übrigens stellt der Artikel aus dem „Faktenfinder“ der „Tagesschau“, der wie eine phönizische Tonscherbe aus einem anderen Erdzeitalter zu uns spricht, zur damals noch befremdlichen Strategie des Lockdowns die ketzerische Vermutung an, „dass Chinas Behörden“ damit „verhindern wollen, dass die Bevölkerung ihr Vertrauen verliert und dass andere Länder die Regierung in Peking für inkompetent halten“. Deshalb komme es in China zu „Maßnahmen, die in Deutschland unüblich wären“.
Verkehrte Welt! Nur vier Monate später gilt das exakte Gegenteil. Als selbstverständlich, ja sogar als vergleichsweise harmlos und milde erscheinen uns die kafkaesken Vorschriften zur Kontaktbeschränkung in den einzelnen Bundesländern, der offiziell immer noch auf jedem Gehweg verlangte Mindestabstand, die fortwährende Schließung von Schulen und Kindergärten.
Wenn jemand Nutzen und Notwendigkeit solcher Zwangsmaßnahmen in Zweifel zieht, wie etwa Armin Laschet oder Bodo Ramelow, dann verliert er Vertrauen, wird von den Medien als inkompetent dargestellt. Wenn ein Politiker sich dabei erwischen lässt, einen Freund nach dem Abendessen zum Abschied zu umarmen, und das auch noch ohne Maske, dann steht er am digitalen Pranger – und das, bis er sich, wie Christian Lindner, immerhin doch Chef der liberalen Partei, bußfertig entschuldigt.
Über den Lockdown-Horror in Spanien und Frankreich, der an Verbrechen gegen die Menschlichkeit grenzt, weil der Staat Kinder monatelang in den Wohnungen einsperrte und Bürger dazu zwang, sich selbst den Weg zum Bäcker per App freischalten zu lassen, empörte sich in Deutschland niemand. Stattdessen pathologisiert man verbissen das einzige europäische Land, das den chinesischen Autoritarismus nicht kopiert.
Fast täglich erscheint irgendwo ein Artikel über den berüchtigten schwedischen „Sonderweg“, dieses unverantwortliche „Experiment mit der Bevölkerung“, das immer wieder zornig für „gescheitert“ erklärt wird – auch wenn die Gesamtzahl der Corona-Toten pro Millionen Einwohner dort, wie jeder Wissbegierige auf den einschlägigen Statistikseiten selbst nachschauen kann, Stand Juni sogar niedriger ist als etwa in Belgien, Spanien, England oder Italien. Überall dort wurde die Lockdown-Strategie über Monate hinweg mit unbarmherziger Strenge durchgezogen, was Millionen von Menschen ins soziale, psychische und oft auch gesundheitliche Elend stürzte, ungezählte Tote forderte – und das Corona-Massensterben vor allem in den Pflegeheimen, den Hotspots der Pandemie, trotzdem nicht verhinderte.
Der sinnlose Lockdown
Dass es ohne allgemeinen Lockdown noch viel schlimmer gekommen wäre, bleibt eine unbewiesene Hypothese. Eine großflächige Clusteranalyse des österreichischen Gesundheitsministeriums brachte ans Licht, dass vor allem Heime, Après-Ski und Chöre, nicht aber Schulen, Kitas oder Geschäfte zur Verbreitung des Virus beigetragen haben. Einiges spricht dafür, dass Deutschland vor allem durch sein stabiles Gesundheitssystem vor Schlimmerem bewahrt wurde – und dass zur Eindämmung der Ausbreitung schon die Absage der Großveranstaltungen im März genügt hätte, verbunden mit frühem Testen und Nachverfolgen und lokalen Maßnahmen. Die Kontaktsperren und vor allem die für Kinder und Familien nachhaltig schlimmen Schulschließungen hätte man sich dann auch sparen können.
Aber all das wollen wir vielleicht gar nicht so genau wissen, es würde unangenehme Fragen aufwerfen. Vielleicht hat das eigentliche Experiment mit der Bevölkerung ja gar nicht in Schweden, sondern bei uns stattgefunden? Die Versuchsanordnung, die sich ohne jede Verschwörung wie von selbst ergeben hat, ist jedenfalls hochinteressant: Wie leicht und wie schnell ist eine neurotische, mit sich selbst offenbar unglückliche Wohlstandsgesellschaft bereit, auf die Freiheit als ihr Grundprinzip zu verzichten? Welche Dosis von Angst, von Schreckensnachrichten, von Bedrohung – sei sie nun objektiv oder subjektiv – ist nötig, damit sich die Menschen auf Dauer im verfassungsrechtlichen Ausnahmezustand einrichten?
Vielleicht ist die Pandemie nun, wo die Infektionskurven trotz aller umstrittenen Öffnungen nicht „exponentiell“ in die Höhe schnellen, sondern in Richtung x-Achse abflauen, schon vorbei. Vielleicht kommt doch noch die „zweite Welle“, auch wenn ihre Propheten das Szenario in den letzten Wochen zur Sicherheit schon einmal abmoderiert haben. Das gesellschaftspolitische Experiment kann man allerdings jetzt schon als erfolgreich abgeschlossen bezeichnen: Freiheit ist ein optionales Feature, eine Art politisches Zusatzmodul. Nice to have, aber im Fall der Fälle auch ohne größere Beschwerden abschaltbar.
Und der Fall der Fälle ist jetzt klar definiert: die Pandemie. Wenn man sich durch die Pandemieberichte der WHO in den letzten Jahren arbeitet, braucht man sich um Nachschub keine Sorgen zu machen. Beim nächsten Mal tut es dann bestimmt schon nicht mehr so weh, es hat doch diesmal ganz gut geklappt, und außerdem haben wir uns nun ja auch alle zusammen daran gewöhnt. Zu Hause ist es doch auch ganz nett, mit Podcasts, Netflix und Entschleunigung!
Das Private als Fluchtort
Das Oikos ist buchstäblich das neue Haus des Seins, in das uns die Corona-Krise zurückgeworfen hat. Seit Aristoteles bildet es den Gegenpol zum Politischen: Es ist der Ort der Bedürfnisse, der Abhängigkeiten und der Versorgung. Aus Millionen von Homeoffice-Wohnzimmern wird aber auch durch Zoom keine neue Öffentlichkeit, aus zweidimensionalen Gesichtern oder Stimmen im Bluetooth-Kopfhörer erwächst keine Begegnung mit dem Anderen.
Der Rückzug in die sozialen Einzelzellen, die Konzentration auf die rein private Selbstverwirklichung ist ein klassisches Merkmal totalitärer Systeme. „Wären wir wirklich der Meinung, dass es in der Politik nur um Sicherheit und Lebensinteressen geht“, so Hannah Arendt, „hätten wir keinen Grund, die Tyrannis prinzipiell abzulehnen; denn Sicherheit gerade kann sie gewährleisten, und für den Schutz des schieren Lebens hat sie sich oft allen anderen Staatsformen als überlegen erwiesen.“
Ups, wie aufregend! Was wir in der Corona-Pandemie erlebt haben, ist also eine „klitzekleine“ totalitäre Erfahrung – wenn auch nur als Testlauf, ein kollektiver Kurztrip. Aber er hat unseren politischen Horizont erweitert, wir sind bereit für mehr davon. Besonders die politisch-medialen Eliten wirken fleißig an jenem Phänomen mit, das der russische Anthropologe Alexei Yurchak „Hypernormalisierung“ nannte: Er meinte das Lebensgefühl der späten Sowjetunion, wo man eine absurde und autoritäre Realität konsequent als alternativlos behandelte, bis es ihre Infragestellung war, die als unnormal erschien.
Das ging auch bei uns schnell. Avantgarde der Normalisierung ist die identitätspolitische Linke, die „Freiheit“ nur noch als höhnischen Hassbegriff kennt, kein Verhältnis mehr zum emanzipatorischen Gedanken hat und nicht mehr zur Sonne, zur Freiheit strebt. Für sie ist das Virus ein Geschenk des Himmels, denn es macht ihre Idee der Gesellschaft als einer einzigen großen Risikogruppe, als Ansammlung möglicher Opfer, für alle verbindlich.
Aber auch viele Schöngeister fassen den Begriff der Freiheit nur noch mit Anführungszeichen an, als könne er Schmierinfektionen verursachen. So erklärten die hauptamtlichen Literaturkritiker des „Spiegels“ und der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gerade die Schriftstellerin und Verfassungsrichterin Juli Zeh, die schon früh ihr Unbehagen an den Lockdown-Maßnahmen bekannt hat, unisono für unzurechnungsfähig: Zeh habe ihre bornierte Außenseiterposition, so ungefähr der Vorwurf, selbst nach mehreren Wochen Lockdown nicht an die neuen Realitäten angepasst. Die Rezensionen klangen so, als müsse Zeh zu ihrem eigenen Schutz demnächst in eine staatliche Literaturheilanstalt verbracht werden.
Viele sonst Goethe zitierende Geister haben sich in den letzten Monaten mit Pizza vom Lieblingsitaliener im Ausnahmezustand ihrer Stuckaltbauwohnungen eingebunkert, Drostens NDR-Podcast auf dem Volksempfänger eingestellt und über Facebook im Stil von Karl Lauterbach jede neue Öffnungsrunde als Anfang vom Ende beklagt.
Der ist dann immer ausgeblieben, aber wenn im Kanzleramt irgendwann doch ein neuer Lockdown entworfen werden sollte, stünde das deutsche Kulturkommissariat sicher gerne bereit, um der Bevölkerung im Kanzleistil zu vermitteln, dass man in der Pandemie eben auf „bestimmte Freiheiten“ verzichten müsse, was aber nicht weiter schlimm sei, da es sich bei diesen Freiheiten ohnehin um spätkapitalistische, wahlweise auch neoliberale Fetische handle.
Eine Zeit der Versteinerung
Und wirklich, wer braucht sie noch, die Freiheit, diese radikalste und zugleich leerste Idee aller Zeiten? Die Linke hat sie aufgegeben, die Rechte missbraucht sie als Pathosformel, und die saturierten Konservativen stehen stramm, wenn der starke Staat ruft. Die FDP, die in den letzten Monaten mit ein wenig Mut zur Partei der klugen Kritik, der vernünftigen Skepsis, aber auch der wilden Freiheitssehnsucht hätte werden können, die jene 20 bis 25 Prozent hinter sich hätte scharen können, die aus unterschiedlichen Gründen ein Unbehagen an den Maßnahmen empfinden – sie hat sich abgemeldet und das Feld der opportunistischen AfD überlassen. Besonders Letzteres ist eine Katastrophe.
Worin leben wir? Vielleicht ja in einer jener „Versteinerungs- und Untergangsepochen“, von denen Hannah Arendt sprach: den in der Geschichte immer wiederkehrenden Zeiten, in denen das Politische erstarrt und sich der Freiheitstrieb enttäuscht nach innen richtet, als „Rückzug aus der Welt“.
Doch genau das sind, dialektisch gesehen, die besten Zeiten für die Freiheit, für ein Ausbrechen aus dem Automatismus, einen neuen Anfang. Er könnte damit beginnen, dass wir damit aufhören, die Pandemie mit der Welt zu verwechseln.