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Am Samstag kam im Kanzleramt der Koalitionsausschuss zusammen. Das Gremium stellt eine Besonderheit dar: es findet sich nirgends im Grundgesetz, gehört weder richtig zur Exekutive noch zur Legislative, bestimmt aber die Richtlinien der Politik ganz wesentlich mit.
Normalerweise klärt der Koalitionsausschuss – ein Gremium, das aus den Vorsitzenden der Parteien besteht, die das Bundeskabinett tragen – strittige Fragen innerhalb dieser Koalition, die Regierungsprojekte beziehungsweise das Abstimmungsverhalten im Bundestag betreffen. Die Koalitionsausschuss-Sitzung am 8. Februar wich gleich doppelt von dieser Praxis ab.
Erstens nahm daran – und zwar federführend – Bundeskanzlerin Angela Merkel teil, die formal der CDU nicht vorsitzt, sondern faktisch der Bundesregierung, also einem Organ der Exekutive. Und zweitens beschäftigte sich diese Sitzung ausschließlich mit den Angelegenheiten, die das Parlament eines Bundeslandes betreffen. Beziehungsweise die Parlamente wie auch die Parteiverbände anderer Bundesländer. Nicht über jede Koalitionsausschuss-Sitzung der Vergangenheit gibt es exakte Protokolle. Aber diese Tagung dürfte ein Novum gewesen sein:
Es nehmen Teil eine Kanzlerin, die beiden Vorsitzenden der SPD (von denen nur Esken ein parlamentarisches Mandat besitzt), die nominelle Vorsitzende der CDU Kramp-Karrenbauer, auf die es schon nicht mehr ankam, und die auch über kein parlamentarisches Mandat verfügt, und der Vorsitzende der CSU.
Telefonisch zugeschaltet war nach Medienberichten zeitweise noch der Thüringer Linkspartei-Politiker Bodo Ramelow. Gemeinsam legten die Gremiumsmitglieder im Kanzleramt detailliert fest, dass
sie „erwarten“, dass der Ministerpräsident des Landes Thüringen „heute die einzig richtige Konsequenz zieht und von seinem Amt zurücktritt“.
dass „umgehend“ die Wahl des nächsten Ministerpräsidenten erfolgen muss
drittens, dass sich der Thüringer Landtag in naher Zukunft auflösen soll, um „baldige Neuwahlen“ zu ermöglichen,
und viertens: „Regierungsbildungen und politische Mehrheiten mit Stimmen der AfD schließen wir aus. Das ist und bleibt die Beschlusslage der die Koalition tragenden Parteien für alle Ebenen.“
Herr Schäuble bezeichnete Björn Höcke als Nazi und stellt faktisch einen Zusammenhang zwischen Auschwitz und der AfD her:
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Schäuble:[…] PDS und AfD kann man nicht gleichsetzen.
Heckmann: Die Linke meinen Sie?
Schäuble:Die Linkspartei, ja. Entschuldigung! – Das ist ja auch hinreichend deutlich von allen gesagt worden, auch vom Generalsekretär der CDU gestern in der Debatte. Aber die CDU hat gute Gründe. Ich meine, mit der AfD, wie man in Thüringen sieht, mit Herrn Höcke als Vorsitzenden, den man ja zurecht als Nazi bezeichnen kann, kann es natürlich keine Form irgendeiner Art von Zusammenarbeit geben. Das ist völlig unstreitig, das ist klar. Da sind sich alle Parteien einig.
[…]
Heckmann: Aber trotzdem kommt bei vielen Leuten, Herr Schäuble, das Signal an – zumindest wird es so interpretiert –, dass eine Entscheidung getroffen wird, eine Wahl stattfindet, und hinterher, wenn das Ergebnis nicht passt, dann Berlin interveniert.
Schäuble:Nein! Berlin hat nicht interveniert, sondern Berlin hat seine Meinung gesagt, und dazu ist Berlin auch verpflichtet. Das gilt für die Parteiführung. Es gilt natürlich auch für die Bundeskanzlerin, die doch wohl eine Verpflichtung hat, dafür zu sorgen, dass es keinen Zweifel gibt, dass man in Deutschland 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, nach dem Ende der Nazi-Barbarei, dass es da keine Zusammenarbeit gibt mit Kräften, die sich nicht eindeutig von Neonazismus, von Faschismus, von Rechtsextremismus abgrenzen. Das gilt ganz sicher für Herrn Höcke und für den von ihm geführten Flügel in der AfD. Deswegen war es doch geradezu die Pflicht auch der Bundeskanzlerin zu sagen, dass sie mit Entschiedenheit dafür eintritt, dass das korrigiert wird.
[…]
Das komplette Interview des Dlf mit Wolfgang Schäuble hören:
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Es ist bedauerlich, dass Wolfgang Schäuble, den ich mal als Kanzler gesehen habe, dass dieser Mann so langsam senil wird.
Am 12.2.2020 interviewte die Dlf-Redakteurin Herrn Sitter. Leider wurde das Gespräch nicht verschriftlicht. Es wäre dann schwarz-auf-weiß nachzulesen, mit welcher „Haltung“ die Redakteurin des Dlf, Christiane Kaess, das Interview führt. Wie ein im bürgerlichen Leben angesehener Mann ob seiner Meinung ´traktiert` wird, können Sie aber hören. In Frau Kaess steckt richtig gutes ´Verhörpotential.
Hier das Originalinterview des Dlf mit Christian Sitter vom 12.2.2020:
In einer Nachricht zur Werteunion meint der Dlf am 11.2.2020:
In den Debatten seit Thüringen fällt mit Blick auf die Haltung der CDU immer wieder ein Name: die Werteunion. Der Verein hatte dem FDP-Politiker Kemmerich zur Wahl als Ministerpräsident gratuliert, obwohl dazu Stimmen der AfD nötig waren. Doch es ist nicht das erste Mal, dass Kritik an der Gruppierung laut wird. Wer verbirgt sich hinter der Werteunion?
Die Werteunion ist ein eingetragener Verein, in dem Unions-Mitglieder Stimmberechtigte werden können. Gegründet wurde der Verein 2017, damals noch unter dem Namen „Freiheitlich-konservativer Aufbruch“. Inzwischen zählt die Werteunion an die 4.000 Mitglieder. Zum Vergleich: Die CDU hat rund 400.000 Mitglieder, die CSU gut 140.000. Die Werteunion bezeichnet sich selbst als „konservative Basisbewegung“. Prominentestes Mitglied ist derzeit der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen.
Führende Unionspolitiker wie der niedersächsische Landesvorsitzende Althusmann bezeichnen die Werteunion in der parteiinternen Debatte regelmäßig als überbewertet. Andererseits schafft sie es immer wieder, ihre Positionen öffentlichkeitswirksam zu platzieren und bekannte Redner für ihre Veranstaltungen zu gewinnen.
Politische Positionen
Gegründet wurde die Werteunion von Alexander Mitsch, der auch ihr Bundesvorsitzender ist. Er wirbt seit langem für einen Politikwechsel in der CDU und damit auch in Deutschland. Die Werteunion sieht hierzulande eine „vorherrschende linke Ideologie“, die sie ablehnt. Die Gründung war auch eine Reaktion auf die Flüchtlingspolitik der Regierung. Die Werteunion plädiert für eine restriktivere Asylpolitik und verweist beim Thema Integration auf eine „europäisch-deutsche Leitkultur“. Mitsch und andere führende Mitglieder forderten immer wieder öffentlich einen Rücktritt Merkels. Als Kanzlerkandidaten favorisiert die Bewegung Friedrich Merz.
Vorwurf der Nähe zur AfD
Inhaltlich steht die Werteunion in vielen Punkten der AfD näher als die offizielle Parteilinie. Zuletzt wurde sie für die Glückwünsche an Kemmerich kritisiert. CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer warf den Mitgliedern daraufhin vor, sich vom Wertefundament der Partei entfernt zu haben.
Die Werteunion sieht sich selbst dagegen als Antwort der CDU auf die AfD. So argumentiert Mitsch, dass eine deutlich konservativere Ausrichtung der CDU die AfD überflüssig machen würde. Die Werteunion setze auf „Abgrenzung“ zur AfD und nicht auf „Ausgrenzung“. Ähnlich äußerte sich auch der thüringische CDU-Politiker Sitter im Deutschlandfunk. Man werde sich nicht dagegen wehren, wenn die AfD im Erfurter Landtag Anträgen der CDU zustimme.
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… Rechthaberei ist mir völlig fremd. Daher muss es nicht so sein, dass das Schlamassel um die Wahl eines neuen Ministerpräsidenten von Thüringen später einmal als repräsentativ für die Beschreibung einer Zeitenwende angesehen wird.
Wohin die führen könnte? Ich verfüge über zu wenig seherische Fähigkeiten, um belastbare Prognosen abzugeben. Aber ich kann begründen, wieso dieses Schmierentheater das Potenzial zur Exemplifizierung eines gesellschaftlichen Umschwungs hat.
Denn das etablierte politische System Deutschlands hat hier gezeigt, dass es nicht in der Lage ist, mit dem Aufkommen einer neuen Partei umzugehen. Als die Grünen zur politischen Kraft wurden, waren sie schnell eingenordet, vom System aufgesogen. Bis sie heute das Sammelsurium der wohl opportunistischsten, verlogensten und heuchlerischsten Politikerkaste der BRD geworden sind. Und das will, nach all den Parteispendenaffären, etwas heißen. Aber ein grüner Wortführer, der beim Bescheißen mit seinen Flugmeilen erwischt wird? Da fehlen die Worte.
Auch die Linke ist im parlamentarischen Betrieb weitgehend angekommen. Man darf mit ihr koalieren, Angst, dass sie tatsächlich eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft in Richtung Sozialismus anstreben wollte, hat eigentlich keiner mehr. Das hat sogar Sahra Wagenknecht eingesehen. Wenn’s dem Macherhalt dient, versucht man es sogar mit einer Minderheitskoalition aus Linke mit SPD und Grünen als Juniorpartner.
Nicht nur SPD-Genossen wie Sigmar Gabriel müssen und wollen von etwas leben. Da sich zwangsläufig nach einigen Jahrzehnten eine Politikerkaste entwickelt hat, unabhängig von der jeweiligen Partei, die nichts anderes kann als Politik, und selbst das nicht besonders gut, ist sie an Machterhalt interessiert, genauer am Erhalt ihrer Einkommensquelle. Sei das als Parteifunktionär, als Parlamentarier, als Bürokrat im Staatsbetrieb oder als Minister. […]
In einem kleinen, aber feinen Bundesland im Osten der Republik wird gewählt. Nicht das Parlament, das hatte man vor einem Vierteljahr erledigt. Jetzt wird im Parlament abgestimmt, von den dafür gewählten Abgeordneten. Die heißen anders auch Volksvertreter, weil sie nämlich das Volk vertreten. Zum Beispiel bei der Wahl eines Regierungschefs.
Da Letzteres gerade in Thüringen ansteht, machen das die Volksvertreter, pflichttreu und ordnungsgemäß. Und so geschieht ein nagelneuer Ministerpräsident, nach allen Regeln der Kunst und der Gesetze sowieso. Diesen Vorgang in seiner Gesamtheit nennt man Demokratie. Und, noch viel wichtiger, Rechtsstaat. Falls Ihnen der Unterschied gerade nicht geläufig ist: Demokratie ist, wenn zwei Wölfe und ein Schaf darüber abstimmen, was es zum Abendessen gibt. Rechtsstaat ist, wenn das Schaf das Abendessen überlebt.
Das Zauberhafte im Fall Thüringen ist, dass das Ergebnis des demokratisch-rechtsstaatlichen Prozesses weder formal noch inhaltlich Anlass zur Beanstandung gab. Gewählt wurde ein allseits geachteter Mann, ein lupenreiner und noch dazu liberaler Demokrat aus der Mitte der Gesellschaft. Besser geht kaum. Zu allem Überfluss brachte er einen weiteren Produktvorteil mit. Er ist nämlich Unternehmer, also ganz und gar nicht ein Vertreter des verbreiteten Kreißsaal-Hörsaal-Plenarsaal-Karrieretums. […]