Die Menge johlte, als ein Mann handgreiflich wurde beim Klimastreik in Berlin. Er entriss der Demonstrantin Britta Augustin ein Schild und zerstörte es. Ihre Forderung: „Kernkraft gegen Klimawandel“. Auch einem zweiten Aktivisten wurde offenbar seine Botschaft entrissen.
„Wir sind sicher raus!!“. Mit einer Kurznachricht bei Twitter hat sich die auf der Demonstration von „Fridays for Future“ attackierte Kernkraft-Aktivistin nach dem Vorfall zu Wort gemeldet. Sie postete ein Foto und schrieb auf Englisch, dass auch einem zweiten Demonstranten ein Schild entrissen worden sei.
Es handelt sich um Britta Augustin, die sich seit Jahren im Kampf gegen den Klimawandel für Atomkraft ausspricht und auf Demonstrationen geht. Ihr Motto: „Aus Liebe zur Natur für Kernkraft“. Sie engagiert sich in der Gruppe „Mothers for Nuclear Deutschland – Österreich – Schweiz“, einem Zusammenschluss von Müttern, die sich für Kernenergie aussprechen. Die Organisation stammt ursprünglich aus den USA, wo sie von zwei Mitarbeiterinnen eines Kernkraftwerks gegründet wurde.
In einem WELT-Beitrag im Mai 2021 äußerte sie sich zu ihren Anliegen. Sie selbst habe keine Verbindungen zur Kernkraftindustrie, berichtet sie in dem Porträt: „Ich war von Anfang an für Atomkraft“. In der Schule habe sie in Diskussionsrunden dafür argumentiert, in Aufsätzen darüber geschrieben. Ihr sei klar gewesen, „dass das richtig und dass das auch die Zukunft ist“.
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Selbstverständlich hat keinePartei irgendetwas mit dem Vorfall zu tun:
[…] Auch Politiker ließen sich beim Klimastreik blicken. Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin der Grünen, wurde bei der „Fridays for Future“-Demonstration in Köln wie ein Rockstar empfangen, als sie etwas überraschend auftauchte. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schaute ebenfalls in Köln vorbei. Auf Twitter postete er ein Bild von sich mit Teilnehmern. „Ein Segen, dass es diese Bewegung gibt. Nicht nur für junge Menschen“, schrieb er.
Heribert Prantl, der für seine Pro-Grundrechtshaltung …
… bekannte Journalist der „Süddeutschen Zeitung“, hat einen Gastkommentar für den österreichischen Standard geschrieben. Darin rechnet er mit der schleichenden Aushöhlung der Grundrechte ab. „Grundrechte sind keine Belohnung, keine Gratifikation, kein Bonus, kein 13. Monatsgehalt. Sie sind einfach da, jeder hat sie, jeder darf sie in Anspruch nehmen“, schreibt Prantl. Sie gelten auch unabhängig vom Impfstatus.
Im „Staat der Pandemie“ sei das jedoch anders: „Da ist man nicht von vornherein und für immer mit Grundrechten geimpft, da wird man für seine Grundrechte geimpft.“ Wer sich nicht impfen lasse, werde zwar nicht „festgehalten und zwangsgespritzt“, aber eben doch gedrängt und gegängelt. Das Motto sei „wer nicht hören will, muss fühlen“: Weil man sich nicht ‚solidarisch‘ verhalte, werde man aus der Solidargemeinschaft verstoßen. Doch die solidarische Gesellschaft sei nicht nur für die da, die angeblich alles richtig machten, meint Prantl: „Sie ist auch für die da, die echt oder angeblich einiges falsch machen. Solidarität hängt nicht davon ab, dass der, der Hilfe braucht, sich so verhält, wie es sich die anderen erwarten.“ Aktuell verabschiede sich die Gesellschaft jedoch von dieser Solidarität, die sie ausmachen sollte.
Das „Corona-Denken“, wie Prantl es nennt, sei dabei, die Individuellen Grundrechte zu vergemeinschaften und einer „Volksgesundheit“ unterzuordnen. „Die Individualrechte werden kollektiviert. Der einzelne Mensch und seine Rechte treten zurück hinter dem Großen und Ganzen, hinter kollektiven Werten. Ein freiheitsfeindlicher Zeitgeist diskreditiert Grundrechte als Egoistenrechte.“ Das sei falsch, schreibt er – „es sind schlicht Rechte, die vorraussetzungslos gelten, für jeden; man kann und muss sie nicht erwerben, auch nicht durch eine Impfung. Sie gelten für Geimpfte und Ungeimpfte.“
… das vor Corona beim RKI nicht die erste Wahl war. So steht im Fachwörterbuch „Infektionsschutz und Infektionsepidemiologie“ des RKI von 2015 auf Seite 59: „Impfdurchbruch“ siehe „Impfversagen“. Folgte man diesem Hinweis, erfuhr man: „Impfversagen[:] (engl.: vaccine failure) Impfdurchbruch, Erkrankung trotz Schutzimpfung…“
Mit anderen Worten, das amtliche Wort beim Robert Koch-Institut lautete damals „Impfversagen“. Analog dazu sprach man auch von einem „Impfversager“, angelehnt an die englische Bezeichnung „Non-responder“: keine (Impf)Antwort.
Keine Entschädigung mehr für Ungeimpfte, wenn diese in Quarantäne kommen: Diese Regelung gilt erst in einigen Ländern, etwa Baden-Württemberg. Doch nun soll eine bundesweit einheitliche Regelung kommen, wie Recherchen von Business Insider zeigen. …
… Noch sind es erst einige wenige Länder, die Ungeimpften keine Entschädigung mehr zahlen, wenn diese in Quarantäne kommen. Doch nach Informationen von Business Insider soll nun eine bundesweit einheitliche Regelung kommen – und zwar schon ab 11. Oktober.
Nach Informationen von Business Insider haben sich darauf die 16 Bundesländer in einer vertraulichen Runde der Chefs der Staats- und Senatskanzleien Ende voriger Woche geeinigt. Dem Vernehmen nach sollen zwar offiziell erst am Mittwoch die Gesundheitsminister von Bund und Länder einen konkreten Start-Termin für eine bundesweit einheitliche Regelung finden.
Doch als sinnvoll erachten die Länder offenbar den 11. Oktober. Denn ab dann wird es die kostenlosen sogenannten Bürgertests nicht mehr geben, also die Schnelltests, für die der Staat zahlt. Damit soll der Druck auf Ungeimpfte weiter erhöht werden, sich doch noch impfen zu lassen.
Wer bislang wie viel Geld bekommt – und was sich ändert
Lange Zeit in der Corona-Pandemie hatte gegolten, dass laut Infektionsschutzgesetz derjenige eine staatliche Entschädigung bekommt, wer in eine staatlich verordnete Quarantäne muss. Dabei bekamen Beschäftigte für die ersten sechs Wochen 100 Prozent ihres Nettogehalts. Dabei gehen die Arbeitgeber in Vorleistung und können sich per Antrag das Geld vom Staat erstatten lassen. Mit Beginn der siebten Woche können Arbeitnehmer noch eine Entschädigung von 67 Prozent des entstandenen Verdienstausfalls erhalten, maximal aber 2016 Euro.
Als erstes Land hatte Baden-Württemberg den Stopp für Entschädigungen für Ungeimpfte bei Verdienstausfällen beschlossen – und ab 15. September umgesetzt. Den Zeitpunkt begründete die Landesregierung damit, dass bis Mitte September jeder eine Möglichkeit für eine Impfung bekommen habe. Ausnahmen gibt es für Menschen, die eine Schutzimpfung etwa aus medizinischen Gründen nicht in Anspruch nehmen können. Rheinland-Pfalz will dies zum 1. Oktober umsetzen. Beispielsweise in Bremen und Nordrhein-Westfalen planen die Regierungen ähnliche Schritte im Oktober. Auch Bayern zeigt sich offen.
Auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zuletzt Sympathie für ein Ende der Zahlungen an Ungeimpfte erkennen lassen. Es sei wie bei kostenlosen Tests, die vom Steuerzahler finanziert werden: Er sehe nicht ein, „warum auf Dauer andere zahlen sollen, wenn sich jemand nicht für die kostenlose Impfung entscheidet, obwohl er könnte“, so Spahn.
Ungeimpfte, die krank sind, bekommen trotzdem weiter Geld
Sind Ungeimpfte in Quarantäne, weil sie tatsächlich krank sind, bekommen aber auch sie weiterhin Geld. „Es geht um Lohn-Entschädigung für Kontaktpersonen von Infizierten in Quarantäne – nicht um die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall“, betont eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums.
„Wer sich infiziert, ist krank und hat ein Anrecht darauf.“ Erkrankt ein Arbeitnehmer also an Corona, wird weitergezahlt – auch bei Ungeimpften. Allerdings: Das Krankentagegeld ist niedriger als die staatliche Entschädigung. Im Allgemeinen sind das 70 Prozent vom Brutto, jedoch höchstens 90 Prozent vom Netto.
Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), Reiner Hoffmann, hält vom Ausschluss von Ungeimpften nichts. Im Deutschlandfunk sprach er zuletzt von einer „Impfpflicht durch die Hintertür“*. Aus seiner Sicht werde der Konflikt um eine Corona-Impfpflicht dadurch auf Beschäftigte und Betriebe verlagert. Im Zweifel müssten hier auch sensible Gesundheitsdaten offengelegt werden, warum Beschäftigte sich nicht haben impfen lassen können. Es sei ein Gebot der Solidarität sich impfen zu lassen, aber nicht mit dem Instrument, den Entgeltersatz zu streichen, so Hoffmann. Verdi-Chef Frank Werneke sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Die Politik steht im Wort, dass Impfen freiwillig bleiben soll.“
… von der gefährlichen Corona-Pandemie sprechen, dann bitten Sie diese Person doch einmal, Folgendes zu tun: Angesichts der Dauerpanik-Meldung übervoller Intensivabteilungen und des drohenden Kollapses der Krankenhäuser einzuschätzen, wieviel Prozent der gesamten Patientenzeit in deutschen Krankhäusern 2020 von COVID-Patienten belegt wurden?
Das bedeutet in Bezug auf die gesamten Tage, die Patienten in deutschen Krankenhäusern lagen: Wieviel Prozent entfallen davon auf Patiententage mit der Diagnose COVID? Die Antwort steht auf der Seite des Bundesgesundheitsministeriums (BMG). Und zwar in diesem Gutachten des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung, welches das BMG selbst beauftragt hat und dessen Ergebnis seit April bekannt ist.
Diese Analyse hat ein Wissenschaftler, der daran beteiligt war, letzte Woche in eine E-Mail-Runde von Fachleuten geschickt, auf deren Verteiler auch ich stehe. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass sie mir vorher nicht aufgefallen war. Sie wurde anscheinend auch weitgehend verschwiegen. Ich habe so gut wie keine Medienberichte darüber gefunden. Dabei beendet dieses Gutachten das Märchen von der außergewöhnlichen Coronapandemie in Deutschland mit Pauken und Trompeten. Wobei dies schon spätestens im April 2020 erkennbar war, aber nun ist es offiziell bestätigt.
Bitten Sie diesen Coronagläubigen, sein Smartphone zu zücken und Folgendes in den Taschenrechner einzugeben: 1,93 Millionen, das sind die Verweildauertage aller Patienten mit der Diagnose Covid. Nun diese Zahl mal hundert nehmen und sie durch 101,02 Millionen teilen, das ist die Zahl der Verweildauertage aller Patienten. Heraus kommt 1,9 Prozent. Aufgerundet in Worten: zwei Prozent. ZWEI PROZENT.
Und die sollen die Krankenhäuser an den Rand der Belastung gebracht haben? Jedes Jahr werden Patienten mit infektiösen Atemwegserkrankungen in dieser Größenordnung stationär behandelt.
… Deutschlands bewegt sich das Land wieder mit ungeheurer Dynamik in einen autoritären Staat, der z. B. ungeimpft gesunde Menschen diskriminiert.
Wenn nicht umgehend derStatus quo ante Corona = Menschen ohne respiratorische Symptome sind respiratorisch gesunde Menschenwiederhergestellt wird, wird die Gesellschaft zerbrechen!
… versteht (in welcher das Wahlprogramm der Grünen ja auch im Internet heruntergeladen werden kann), sollte eigentlich sofort erkennen, dass dieses von unerfüllbaren Forderungen nur so strotzt. Besonders deutlich wird das, wenn man sich die geforderten Klimaschutzmaßnahmen anschaut. Da inzwischen ja (fast) alle Parteien das Klima schützen wollen, muss man eben noch eins draufsetzen: Kohleausstieg schon 2030 statt 2038, CO2-Neutralität auch schon ein paar Jahre früher als ursprünglich geplant, und weiterer Ausbau der Windkraft. Denn ganz offensichtlich sind 30.000 Windräder einfach noch nicht genug. Daher fordert man eben, dass schlappe 2 Prozent der Landesfläche Deutschlands für Windparks genutzt werden sollen. „In einem ersten Schritt“ übrigens, also soll es später noch mehr werden.
Es lohnt sich, kurz nachzurechnen, wieviel das ist. Auf den ersten Blick scheint es eine eher bescheidene Forderung zu sein: Denn zwei Prozent der Fläche eines Fußballplatzes (Standardgröße 69 mal 105 m) wären 142 Quadratmeter. Also nicht mehr als ein Gartengrundstück in einer eleganten Villenvorstadt.
Wenn man aber nur wenige Sekunden länger nachdenkt und dann auch noch einen Taschenrechner zur Hand nimmt, wird einem sonnenklar, was das bedeutet:
Bei einer Landesfläche Deutschlands von 357.386 Quadratkilometern sind zwei Prozent nach Adam Riese immerhin 7.148 Quadratkilometer. Wieviel ist das? Am leichtesten kann man es durch den Vergleich mit bekannten Flächen abschätzen, z.B.
13 mal die Fläche des Bodensees (540 km2)
8 mal die Stadtfläche vom Berlin (891,8 km2)
2,78 mal die Fläche des Saarlands (2.570 km2)
Und immerhin noch 34% der Fläche des Bundeslands Hessen (Fläche 21.115 km2)
Da muss man sich doch fragen: Sind die Grünen wirklich so dumm und durchschauen nicht, was für einen haarsträubenden Unsinn sie da verzapfen? Dieser Verdacht kann einem ja bei ihrer Kanzlerkandidatin in der Tat kommen. Ich halte es aber für wahrscheinlicher, dass die Grünen ihre gutgläubigen Wähler für dumm verkaufen wollen. Und das ist im Grunde noch viel schlimmer. Dieses ist jetzt nur ein Beispiel von vielen, aber mir scheint, an Hand von ein paar Zahlen kann man vielleicht die Absurditäten dieses Wahlprogramms am ehesten verdeutlichen. Die Tragik dabei ist, dass die Grünen mit derartig überzogenen Forderungen dem berechtigten Anliegen des Klimaschutzes eher schaden als nützen.
… auf ein gutes Ergebnis. Mit welchen Programmen die Partei das erreichen will, darüber spricht TV Berlin Moderator Dr. Peter Brinkmann mit der Berliner Politikerin Beatrix von Storch in der Wahlsondersendung „WAHL 21 – Bundestag“ am Montag 20.9. um 20.15 Uhr auf TV Berlin.
Mit „mehr Bullerbü“ und einer nationalen Strategie …
… den Klimawandel bekämpfen? Unternehmer und FDP-Mitglied Wolfgang Reitzle hält das für eine Illusion. Auch eine Verzichts- und Verbotskultur sind nicht zielführend. Stattdessen hat er vier konkrete Vorschläge. …
… Man kann das nicht deutlich genug sagen: Diese Wahl ist eine Richtungswahl. Auf der einen Seite: Wettbewerb, Marktwirtschaft und Freiheit. Auf der anderen Seite: staatliche Lenkung, Planwirtschaft, Verzichts- und Verbotskultur. Für mich ist dabei klar: Ich bin ein freiheitsliebender Mensch. …
… In der Pandemie haben wir gesehen: Sie kommt schnell unter die Räder – die Freiheit. Und ich fürchte: Das Corona-Virus ist und bleibt nicht die einzige Bedrohung in dieser Hinsicht. Vor allem dann nicht, wenn jene zum Zuge kommen, die jetzt, nach dem Corona-Lockdown, schon vom „Klima-Lockdown“ träumen.
Als könnten wir diese große globale Menschheitsaufgabe auf diese Weise lösen: Mit einseitiger Regulierung oder mit vorgeschriebenen Entwicklungspfaden. Stattdessen müssen wir endlich begreifen: Das Klima retten wir entweder global oder gar nicht.
Und wir retten es nur, wenn wir den Wettbewerb um die besten Technologien fördern und der Transfer dieser Technologien in die Welt gelingt. Für mich jedenfalls ist das nach mehr als vier Jahrzehnten im Dienst internationaler Unternehmen mehr als offensichtlich. Nehmen Sie zum Beispiel das Thema Wasserstoff. Es begleitet mich beruflich schon seit Jahrzehnten. Und die Chancen dieser Technologie sind enorm. Trotzdem setzten wir heute fast ausschließlich auf Batterietechnologie.
Wie kommt das? Nun, es kommt durch die politischen Rahmenbedingungen. Dadurch, dass man eben nicht gesagt hat: „Mal sehen, welche Technologie sich durchsetzt“. Sondern: „Wir wissen im Vorhinein, was am besten ist.“ Nämlich: die Batterie! Die Folge ist: In der Autoindustrie bleibt kein Stein auf dem anderen. Hunderttausende alte Arbeitsplätze sind gefährdet. Für viele tausend neue Jobs fehlen die qualifizierten Leute.
Kriegen wir das trotzdem hin? Ja, irgendwie schaffen wir das, würde Angela Merkel sagen. Aber zu einem hohen Preis. Nun könnte man argumentieren: „Ja, dann ist das eben der Preis, den wir zahlen müssen. Schließlich retten wir hier das Klima.“ Aber das ist ein merkwürdiges Argument. Und zwar in zweierlei Hinsicht.
Erstens: Selbst wenn wir auf diese Weise das Klima retten würden: Wie können wir denn den sozialen Frieden und die Freiheit des Einzelnen wahren, wenn dieses Land durch eine verengte Klimapolitik Schritt für Schritt deindustrialisiert wird? Noch merkwürdiger aber wird das Argument, wenn wir uns zweitens klarmachen: Ganz gleich, wie weit wir hier gehen mit der Deindustrialisierung; ganz gleich, ob wir am Prenzlauer Berg mit dem Lastenrad zum Einkaufen fahren; das Klima retten wir mit all dem eben leider nicht.
Der Zweck, der alle Mittel heiligen soll, wird durch diese Mittel gar nicht erreicht. Ein vollelektrischer Pkw zum Beispiel, der seinen Strom aus einer deutschen Steckdose lädt, fährt nicht CO2-frei. Im Gegenteil: Unser Strommix ist nicht nur besonders teuer. Er ist auch besonders schmutzig.
Und wenn demnächst das letzte Atomkraftwerk vom Netz geht, wird er für lange Zeit noch schmutziger. Aber vielleicht geht es ja in Wirklichkeit auch weniger ums Klima. Und mehr um ein anderes Gesellschaftsmodell. Das merkt man, wenn man bei den diversen Rettungsplänen fürs Klima mal genauer nachhakt.
Für klimaneutralen Windstrom zum Beispiel sind angeblich nur zwei Prozent der Fläche Deutschlands nötig. Das liest und hört man immer wieder. Wer das aber unter wirklich realistischen Annahmen durchrechnet, wird feststellen: Das ist so gar nicht darstellbar. Zwei Prozent – das reicht nur dann, wenn wir künftig weniger Strom verbrauchen statt mehr, aber schon gar nicht, wenn immer mehr Bereiche des Energiesystems elektrifiziert werden sollen. Es reicht nur, wenn wir in einer Gesellschaft des Verzichts leben wollen, also eine Rolle rückwärts machen zum simplen Leben.
Wer das aber nicht will, wer Wohlstand wahren und Deutschland als Industrieland erhalten will, der muss einsehen: Deutschland kann sich nicht autark mit regenerativer Energie versorgen. Wir brauchen Importe von günstigem grünem Strom beziehungsweise grünem Wasserstoff und seinen Derivaten. Alles andere ist ein Irrweg, der Milliarden kostet. Dass es teuer wird, bestreiten ja selbst Befürworter dieses Weges nicht.
Das Schuld-Narrativ
Aber anders als Sie und ich machen sie sich darüber keine Sorgen. Denn sie glauben an die „Modern Monetary Theory“, sprich: an die Notenpresse – an das Schöpfen von Geld aus dem Nichts. Wo das hinführt, sehen wir bei der EZB: Es führt in die Schulden- und Transferunion. Es führt zur Inflation. Und irgendwann führt es zur Destabilisierung des Euro. Aber all das sind Argumente, die es offenbar schwer haben gegen das mittlerweile weitverbreitete Schuld-Narrativ.
Es lautet: Wir haben uns an der Natur versündigt, also schuldig gemacht. Deshalb müssen wir jetzt Opfer bringen. Opfer aber sind nur dann echte Opfer, wenn sie wehtun. Also: Je größer der Schmerz, je mehr Einschränkung und Verzicht, umso besser dürfen wir uns fühlen.
Und dann müssen wir gar nicht mehr zur Kenntnis nehmen, dass bis 2050 rund 2,5 Milliarden mehr Menschen auf der Erde leben werden; dass China alleine im Jahr 2019 fast genauso viel Kohle-Kapazität neu aufgebaut hat, wie wir bis 2038 vom Netz nehmen wollen (40 Gigawatt); dass in den nächsten Jahren weltweit noch einmal bis zu 290 Gigawatt hinzukommen könnten – also siebenmal mehr als die Kohlekraftwerke, die wir hier abschalten; dass in Afrika heute 600 Millionen Menschen keine Steckdose besitzen, aber berechtigterweise schon sehr bald eine haben werden und ein Großteil des Stroms aus diesen Steckdosen aus neuen Kohlekraftwerken stammen wird, die wiederum China nach Afrika liefert.
An dieser Stelle fragen wir uns dann natürlich alle: „Ja, aber sollen wir denn deshalb gar nichts tun? Doch, natürlich! Aber wir sollten uns dabei immer klarmachen: Unsere Situation gleicht der eines Schiffes, das zu sinken droht. Dabei läuft das Wasser vorne und hinten gleichzeitig rein. Allerdings ist das Loch vorne – bei uns – viel kleiner als das Loch hinten in China, Asien und Afrika. Welchen Sinn ergibt es da, dass wir fast all unsere Zeit, fast all unsere Kraft und all unsere Ressourcen darauf verwenden, das kleine Loch hier in Deutschland zu schließen?
Warum konzentrieren wir uns nicht auch und besonders auf das große Loch? Wer so viel Wert darauf legt, dass auch kleine Beiträge zum Klimaschutz zählen, der muss doch große Beiträge besonders begrüßen. Was also ist zu tun? Ich habe vier Vorschläge, die auf realitätsbezogenen Berechnungen beruhen, auf Technologieoffenheit und Marktwirtschaft.
Erstens: Die effizientesten Technologien dort einsetzen, wo sie die größte Wirkung entfalten – zum Beispiel moderne Photovoltaik in den Sonnenwüsten der Welt und Windparks dort, wo die Thermik ideal ist. So können wir grünen Strom günstig und in riesigen Mengen herstellen.
Zweitens: Mit diesem günstigen Strom grünen Wasserstoff erzeugen – und mittelfristig den Aufbau einer weltweiten Wasserstoff-Wirtschaft anstreben. Drittens: Nutzung der Wasserstoff-Derivate Methan, Methanol und Ammoniak, um Industrieprozesse CO2-frei zu machen. Hier liegt der zentrale Hebel für ein globales Energiesystem, das bezahlbar und zugleich klimaneutral ist; und womit das Speicher- und Transportproblem für grüne Energie umfänglich gelöst werden kann. Bei dem wir bestehende Kraftwerke und Industrieanlagen nach einem Umbau weiter nutzen können. Und bei dem wir auch die heute rund eine Milliarde Pkw und rund 300 Millionen Lkw mit Verbrennungsmotor klimaneutral weiter betreiben können – betankt mit synthetischen Kraftstoffen.
Viertens schließlich müssen wir damit aufhören, den Kauf von Zertifikaten für naturbasierte Klimaschutzlösungen als „Ablasshandel“, „Freikauf-Strategie“ oder „green washing“ zu denunzieren. Weltweiter Klimaschutz braucht massive Aufforstung – genauso wie konsequenten Schutz der noch vorhandenen Wälder.
Ökonomie und Ökologie gehören zusammen. Nur wer wirtschaftlich stark ist, kann für das Klima hilfreich sein. Wie stark aber ist Deutschland noch? Unsere Produktivität sinkt in den letzten Jahren, anstatt zu steigen. Bei der Wettbewerbsfähigkeit fallen wir immer weiter zurück: Erst neulich zeigte uns eine Studie auf Platz 17 – von 21. Bei der Innovationskraft landen wir nur auf Platz 9. Und in Sachen Digitalisierung sind wir unter den G 20 die Nummer 17.
Man fragt sich: wo sind wir eigentlich überhaupt noch führend? Ganz sicher bei Steuern, Umverteilung und beim Strompreis. Und genau dafür haben einige Parteien konkrete Pläne, diese Führungsposition weiter auszubauen. Unter dem Strich kann man sagen: Das Bild der Nation ähnelt auf fatale Weise dem Bild der Nationalmannschaft, wie sie Hansi Flick von seinem Vorgänger übernommen hat: Schläfrig, einfallslos, führungslos – und international im Abstieg begriffen.
Mindestens 16 Jahre lang wurde in einem ausschließlich gegenwartsbezogenen Politik-Stil vor allem der Status Quo verwaltet – und der Sozialstaat ausgebaut. Anstatt alles daranzusetzen, den Wohlstandskuchen zu vergrößern, also auf Wachstum zu setzen, ersinnen wir immer neue Ideen, ihn vorgeblich gerechter zu verteilen. Die Staatsquote in Deutschland liegt inzwischen über 50 Prozent. Und soweit ich sehe, gibt es derzeit nur eine Partei, die dagegen ganz grundsätzlich etwas tun will. Alle anderen treten – so oder so – für noch mehr Staat ein. Und nicht für Agilität und digitalen Wandel, den wir so dringend brauchen. Stattdessen hinken wir auch da hinterher.
Wenn Sie aber wissen, dass in fünf Jahren rund 60 Prozent der Wertschöpfung im Autogeschäft aus den Softwareanwendungen kommen ; und wenn Sie wissen, dass das gesamte Thema Industrie 4.0, also das „Internet der Dinge“ an der Software hängt, dann müsste eigentlich auch dem letzten Anhänger des Lastenfahrrads und der letzten Bullerbü-Berlinerin klar sein: Wer auch morgen noch einen Kuchen haben will, den er verteilen kann, der sollte sich jetzt schleunigst was einfallen lassen.
Ein solcher Einfall könnte lauten: Mittelstand und Industrie fördern. Endlich ernst machen mit den Erleichterungen bei Steuern, Abgaben, Abschreibungsbedingungen und Bürokratie. Und konsequent auf Marktwirtschaft setzen, weil nur das Arbeitsplätze schafft.
Ein weiterer Einfall, der uns wieder nach vorne bringen könnte, wäre: Konsequent Bildung und Leistung fördern. Damit meine ich nicht nur die Laptops, die wir in den Schulen brauchen. Oder die WLAN-Anschlüsse. Und die Milliarden-Investitionen in neue Gebäude. Ich meine vor allem die Erkenntnis: Es gibt keinen Wohlstand ohne Leistung. Weder für den Einzelnen. Noch für die Gesellschaft insgesamt.
Sondern: Wohlstand braucht Fleiß, Anstrengung, Top-Talente. Und eine Bildungspolitik, die diese Talente erkennt und sie gezielt fördert. Lassen Sie uns Schule und Hochschule doch wieder klar und deutlich an diesem Prinzip ausrichten. Wir brauchen den Mut zur Leistungsorientierung und zur Absage an Mittelmäßigkeit und Durchschnitt.
Denn damit werden wir die Probleme des 21. Jahrhunderts ganz sicher nicht lösen – schon gar nicht das Klima retten. Deshalb brauchen wir ein Umdenken. Deshalb braucht Deutschland einen starken Liberalismus.
Diese Rede hielt Prof. Dr. Ing. Wolfgang Reitzle, Vorsitzender des Board of Directors der Linde plc und Aufsichtsratsvorsitzender der Continental AG, anlässlich des außerordentlichen Parteitags der FDP am 19. September 2021 in Berlin. Wolfgang Reitzle ist außerdem Aufsichtsratsmitglied der Axel Springer SE, zu der auch WELT gehört.
*Weil die Meinung außerordentlich wichtig für die Fragestellung „Wie retten wir das Klima?“ ist, zitieren wir den Text. Verweise, Grafiken und Kommentare lesen Sie, wenn Sie WELTplus testen/abonnieren. Wir empfehlen WELTplus ausdrücklich: 30 Tage kostenlos testen.