Das Einreisedekret Donald Trumps

Am 1. Februar 2017 …

… erschien im Printmedium DIE WELT ein LogoWELTbemerkenswerter Artikel zum Dekret Donald Trumps in Sachen Einreise in die USA.

Autor ist Hamed Abdel-Samad, der bereits etliche Bücher zum Islam veröffentlicht hat. Sämtliche Zitate (Grüner Text) stammen aus dem genannten Artikel.

„In Deutschland ist man immer auf der sicheren Seite,

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Bildquelle: https://www.welt.de/debatte/kommentare/article161684889/Es-gibt-durchaus-Gruende-fuer-das-Trump-Dekret.html

… wenn man Amerika kritisiert. Noch sicherer ist man, wenn sich die Kritik gegen den neuen US-Präsidenten Donald Trump richtet. Er bietet ja auch viele Angriffsflächen. Doch was bringt diese Kritik wirklich? Und wer gibt sich die Mühe, sein Handeln jenseits von Polemik und Moralisieren zu verstehen? Deshalb muss man es ja noch lange nicht akzeptieren.

Die ganze Welt diskutiert gerade über das Trump-Dekret, Menschen aus sieben muslimischen Staaten die Einreise in die USA zu verweigern. Kann man ihn deshalb mit Hitler vergleichen? Sind Muslime tatsächlich die neuen Juden? Vielleicht ist es sinnvoll zu analysieren, wie es zu dieser Entscheidung kam.

Es gibt eine Stimmung in Amerika und eine Sicherheitslage in der Welt, die dazu geführt haben. Erstens gilt das Einreiseverbot nur für sieben Länder, sechs davon sind praktisch gescheiterte Staaten, in denen Terroristen nicht nur Territorien besetzen und Trainingscamps unterhalten, sondern auch dem Westen mit Anschlägen drohen und immer wieder diese Drohung in die Tat umsetzen.

Außerdem haben Regierungen in diesen Ländern die Kontrolle über die eigenen Behörden teilweise verloren, so dass der IS z. B. in Rakka syrische Pässe ausstellt, nicht nur um Terroristen nach Europa zu schmuggeln, sondern auch weil diese Pässe für illegale Einwanderer sehr begehrt sind und somit als eine Einnahmequelle gut geeignet sind.

Vermutlich sind einige dadurch nach Europa schon eingereist. Die Regierungen solcher Länder kooperieren nicht mit den USA und tauschen keine Sicherheitsinformationen über Terrorverdächtige aus, was die Überprüfung der Eingereisten erschwert.

Das siebte Land, der Iran, organisiert regelmäßig offizielle Demos, bei denen die Bürger „Tod Amerika“ skandieren und Führungskräfte des Mullah-Regimes applaudieren. Das erklärt, warum gerade diese Länder vom Einreiseverbot betroffen sind und nicht etwa Saudi-Arabien, Ägypten, die Emirate oder der Libanon, aus denen die Attentäter des 11. September stammten.

Wenn wir für eine Weile vergessen, dass dieser Erlass aus der Feder von Donald Trump stammt, der das neue Feindbild der linksliberalen Presse sowie der Muslime ist, könnte man den Sicherheitsaspekt dahinter ein wenig nachvollziehen.

Auch Barack Obama hatte in der Vergangenheit die Einreise von Irakern in die USA für einen gewissen Zeitraum entweder gestoppt oder eingeschränkt, als die Sicherheitslage dies erforderte. Wir haben in der Vergangenheit erlebt, wie die unkontrollierte Einwanderung aus Krisenregionen auch Terrorismus und sexuelle Übergriffe nach Europa gebracht hat.

Das Argument, dass die Mehrheit der Muslime friedlich sei, reicht nicht aus, um die Angst vor dem Terror zu mildern, denn auch eine kleine Minderheit kann eine Gesellschaft in Atem halten. Und da hilft eine friedliche Mehrheit nicht, wenn sie die gewaltbereite Minderheit nicht in den Griff kriegt.

Tatsächlich leiden friedliche Muslime, die mit Terror und Gewalt nichts zu tun haben, unter solchen Maßnahmen. Aber machen wir uns nichts vor: Die Mehrheit der Muslime weltweit hat sowieso durch die Visabestimmungen ein Einreiseverbot in westliche Staaten. Man kann bei den westlichen Botschaften nachfragen, wie viele Visa-Anträge sie in islamischen Ländern täglich ablehnen. Ist das diskriminierend?

Warum lässt man nicht alle Muslime, die einreisen wollen, ins Land? Entweder aus Sicherheitsbedenken oder weil man Wirtschaftsflüchtlinge an der Einreise hindern will. Es ist eine mildere Form des Trump-Dekrets, nur mit dem Unterschied, dass man nicht von „Muslimen“ redet und dies nicht medienwirksam tut.

Natürlich ist dieser Erlass des US-Präsidenten diskriminierend, wenn er nur für Muslime gilt, während Christen, Bahai und Jesiden aus diesen Ländern ausgenommen werden sollen. Das ist eine Schieflage, an der nicht nur Trump schuld ist.

Es sind auch nicht nur die sieben genannten Länder schuld, sondern die meisten muslimischen Staaten, die religiöse Minderheiten unterdrücken und schikanieren. Muslime können in anderen islamischen Staaten eine Zuflucht finden, solche Minderheiten dagegen sind auf den Westen angewiesen. Ich kann deshalb verstehen, wenn man im Westen deren Schutz als Priorität sieht.

Das bringt mich zum nächsten Punkt. Die Entscheidung von Trump wurde in den USA und darüber hinaus heftig kritisiert, und das ist auch gut so. Muslime haben eine Welle der Solidarität und Anteilnahme erlebt. Viele Amerikaner gingen für Muslime und ihre Rechte auf die Straße.

Aber wie viele Muslime (im Westen sowie in den islamischen Ländern) gingen damals gegen den IS und für die Rechte der vertriebenen Christen oder der vergewaltigten jesidischen Frauen demonstrieren? Wie viele Muslime empören sich, dass 16 muslimische Staaten Israelis die Einreise verweigern?

Genau hier liegt das Hauptproblem. Diese Schieflage wäre nicht da, wenn Muslime die Rechte, die sie für sich selbst beanspruchen, anderen nicht verweigern würden. Trump wäre mit seinem antimuslimischen Diskurs nicht erfolgreich, wenn Muslime gezeigt hätten, dass sie effektiv gegen die Ideologie der Gewalt vorgehen.

Stattdessen pflegen viele Muslime seit dem 11. September eher einen Opferdiskurs. Damals machte man das gleiche Spiel, das man nun mit Donald Trump macht. Statt nach den wahren Gründen des Terrorismus zu suchen und diese zu bekämpfen, beklagten die muslimischen Wortführer Islamophobie und erklärten George W. Bush zum Hauptproblem.

Aber auch während der Amtszeit von Barack Obama, der den Islam als die Religion des Friedens bezeichnete, gingen amerikanische Muslime nicht gegen den politischen Islam vor, sondern machten teure Kampagnen, um die Schariagesetze in das US-Rechtssystem zu integrieren. Wer dagegen war, wurde als islamophob diffamiert oder vor Gericht gestellt. Das war einer der vielen Gründe, die die Wahl von Trump möglich machten.

Deshalb sollten Muslime den gleichen Fehler nicht noch einmal wiederholen. Donald Trump ist nicht ihr Problem, sondern ein Symptom. Er wird sein Verhalten bald den Realitäten der Welt anpassen und sich wie ein klassischer Rechtskonservativer verhalten – oder er wird an der amerikanischen Rechtsstaatlichkeit scheitern.

Aber in beiden Fällen werden sich die Probleme des Islam nicht von alleine in Luft auflösen. Auch westliche Politiker und Aktivisten sollten Muslime nicht als kollektive Opfer darstellen. Ja, alle Demokraten müssen den Hass und den Generalverdacht gegen Muslime abwehren, nicht nur den Muslimen zuliebe, sondern auch, weil der Hass die eigene Gesellschaft zerstört.

Ja, man sollte Solidarität mit friedlichen Muslimen zeigen und ihnen Respekt bezeugen. Aber zum Respekt gehört auch, seinem Gegenüber ehrlich zu begegnen. Zur Gleichberechtigung gehört auch, dass ich von meinem Gegenüber genau das erwarte, was ich von mir selbst erwarte.

Es ist Zeit, von Muslimen zu erwarten, Minderheiten, Andersdenkende und Israelis nicht zu diskriminieren. Jeder sollte zuerst vor seiner eigenen Haustür kehren. Jeder sollte die Quelle des Hasses bei sich bekämpfen, bevor er seinen moralischen Zeigefinger auf andere richtet. So, und nur so, können wir diesem Teufelskreis und dieser Spirale von Hass und Gewalt entkommen!“

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Soweit die Ausführungen von Hamed Abdel-Samad. Sie sind differenziert und ausgewogen. Keine Selbstverständlichkeit in Zeiten der allgemeinen Trump-Verteufelung.

Allein die Tatsache, dass sich praktisch alle Medien in der Beurteilung des US-Präsidenten einig sind, lässt mich daran zweifeln, dass sie richtig liegen. Es gibt nicht nur schwarz oder weiß. Der obige Artikel belegt dies.

Der WELT ist zu danken, dass sie den Artikel veröffentlicht hat.

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