Meilenstein – Energie & Verbrenner & Strom & Chemie aktuell: Lexikon der synthetischen Kraftstoffe

Ein wichtiger Überblick von Klaus Humpich

Im weitesten Sinne sind synthetische Kraftstoffe alle nicht aus Erdöl oder Kondensaten der Erdgasförderung gewonnenen Treibstoffe. In diesen Rohstoffen sind Benzin, Diesel oder Kerosin bereits vorhanden. Sie müssen nur noch von den anderen Komponenten abgetrennt werden (Destillation). Sie sind ein „Naturprodukt“. Anschließend findet nur noch eine Veredelung (zum Beispiel Entschwefelung, Zusatz von Stabilisatoren und so weiter) statt.

Logisch, dass diese Gewinnung die geringste Energie verbraucht. Gleichzeitig haben die drei einen unschlagbaren Heizwert, bezogen auf ihr Volumen (kWh/l). Kämen sie nicht so reichhaltig in der Natur vor, man müsste sie glatt erfinden. Man sollte im Zusammenhang mit Kraftstoffen nie vergessen, dass jedes Fahrzeug nicht nur seinen Antrieb (Motor, Turbine) mitnehmen muss, sondern auch die gesamte benötigte Energie (einzige Ausnahme ist die elektrische Eisenbahn). Mit anderen Worten: Bei allen Fahrzeugen ist das spezifische Volumen des Energieträgers der entscheidende Konstruktions- und Betriebsfaktor.

Die Klassiker

Die Synthese von Benzin und Diesel ist über 100 Jahre Stand der Technik. Schon die Nationalsozialisten haben ihren Krieg mangels Ölvorkommen mit „verflüssigter“ Kohle geführt. Südafrika hat aus gleichen Gründen großtechnisch Benzin aus Kohle hergestellt. Heute kann man an vielen Tankstellen Diesel aus Erdgas kaufen.

All diesen Fällen ist das Fischer-Tropsch-Verfahren gemeinsam. Bei ihm wird durch eine Verbrennung eines Kohlenstoffs (Kohle, Erdgas und so weiter) in einer Atmosphäre aus Sauerstoff und Wasserdampf ein Synthesegas erzeugt. Dies besteht aus CO (Kohlenmonoxid) und Wasserstoff. Die Energie zur Zerlegung des Wassers muss durch die Verbrennung eines Teils des Kohlenstoffs erzeugt werden.

Man kann als „Kohlenstoffquelle“ auch Holz, Biogas, Müll und so weiter einsetzen. Dann mutiert der Prozess zu einem „Bio-Treibstoff-Verfahren“.

Biokraftstoffe

Eine große Mode im grünen Milieu der letzten Jahrzehnte waren die Biokraftstoffe. Nachdem die Umweltschäden der Raps- und Maisplantagen nicht länger zu verheimlichen sind, ist die Euphorie verflogen. Auch das Verfeuern von Getreide ist seit dem Ukraine-Krieg mehr denn je in Kritik geraten. Ist es vertretbar, die Nachfrage nach Getreide ohne jede Not künstlich in die Höhe zu treiben, während immer mehr Menschen sich nicht mehr satt essen können? Das Märchen vom „klimaneutralen Biosprit“ war bestenfalls ein gigantisches Agrar-Förderprogramm. Wohlgemerkt, nicht für den „Kleinbauern“, sondern für die Agrarindustrie (Saatgut, Dünger, Pestizide etc.) und die neue Gattung der Schlangenölverkäufer.

Bioethanol

Bioethanol ist die industrielle Anwendung der jahrtausendealten Herstellung von Alkohol aus Zucker mittels Hefe. Ist der Ausgangspunkt Stärke aus Getreide, muss diese erst enzymatisch in Zucker umgewandelt werden. Will man nicht mit Nahrungsmitteln in Konkurrenz treten, kann man auch cellulosehaltige Stoffe (zum Beispiel Stroh, Holzabfälle und so weiter) verwenden. Diese müssen allerdings mit Säuren und Enzymen aufgeschlossen werden, was sehr teuer ist. Für den Vertrieb wird dieser Alkohol dem Benzin beigemischt (5 Prozent bis 85 Prozent). Im Jahr 2021 wurden weltweit insgesamt etwa 125 Millionen Kubikmeter Ethanol produziert, von denen über 100 Millionen Kubikmeter als Kraftstoff verwendet wurden.

Biodiesel

Biodiesel (Fettsäuremethylester) kommt dem Dieselkraftstoff aus Mineralöl sehr nahe und kann deshalb auch in beliebigem Anteil zugemischt werden. Er wird durch Umesterung pflanzlicher und tierischer Fette und Öle mit einwertigen Alkoholen (Methanol oder Ethanol) gewonnen. Die Europäische Union verbrauchte im Jahr 2010 insgesamt über 11 Millionen Tonnen Biodiesel.

VFAs

Es ist eine gelbliche, übel riechende Flüssigkeit. Die Flüssigkeit besteht aus kurzen, kettenartigen Molekülen, die als flüchtige Fettsäuren (VFAs) bezeichnet werden. Sie entstehen beim Verrotten von Lebensmittelabfällen. In einem Prozess, werden die VFAs verdampft und dann durch ein Bett aus murmelgroßen Pellets aus Zirkoniumoxid geleitet, die die VFAs zu längeren Ketten, den sogenannten Ketonen, vereinen. Durch diese Umwandlung entsteht eine süß riechende, klare Flüssigkeit. In einem weiteren Reaktor werden die Ketone über Platinpellets geleitet, die sie miteinander verbinden und Sauerstoffatome abstreifen, wodurch Kerosin entsteht.

United Airlines orderte 2021 bereits 5,7 Milliarden Liter „nachhaltigen Flugzeugtreibstoff“ (SAF).

„e-fuels“

Das neueste Wieselwort aller Schlangenölverkäufer ist e-fuels – mit e, wie elektrisch. Unsere Medien geraten bei allen Anglizismen mit „e“ regelrecht in Verzückung: e-learning, e-mobility, e-cash und so weiter. Hört sich alles so richtig nach Zukunft an. „Vorangehen“ möchte wieder einmal unser Siemens-Kombinat und wirbt mit dem Slogan: „E-Fuels Einfach. Genial. CO2 neutral“. Damit dürfte die Infantilisierung des deutschen Ingenieurs als angelernter Grünling vollendet sein. Wer die ganze Einfalt ermessen will, sollte unbedingt „Häufige Fragen“ auf der Homepage von e-fuels aufrufen. Aber Vorsicht, für jeden, der Grundkenntnisse in Thermodynamik und Betriebswirtschaft hat, ist das echt starker Tobak.

Wenn man Kohlenwasserstoffe – wie Benzin, Diesel oder Kerosin – in einer Chemiefabrik nachbauen will, braucht man Kohlenstoff und Wasserstoff in großen Mengen und geeigneter Form. Will man „klimaneutral“ sein, verwendet man natürlich nur „Grünen Wasserstoff“ und als Kohlenstoffquelle CO2 – möglichst aus der Luft. Abstruser geht es nicht mehr.

Man sollte nie vergessen, dass e-fuels verfahrenstechnisch hergestellte Chemikalien sind. Im Gegensatz zu konventionellen Kraftstoffen. Diese sind ein Geschenk der Natur. Je komplexer die e-fuels sind (viele Atome in jedem Molekül), um so größer ist der apparative Aufwand (Investitionen) und um so größer der erforderliche Energieeinsatz (Betriebskosten). Damit sinkt der Wirkungsgrad als Verhältnis des Heizwerts Hi des e-fuels zu dem notwendigen Energieaufwand bei der Produktion. So beträgt er bei Ammoniak (NH3) noch rund 55 Prozent, während er bei synthetischem Diesel (FTD) nur noch etwa 40 Prozent beträgt. Will man damit etwas antreiben (Verkehr, Stromerzeugung bei Dunkelflaute etc.), muss man diesen Wirkungsgrad noch mit dem Wirkungsgrad der Umwandlung zum Beispiel Dieselmotor ≈ 45 Prozent) multiplizieren.

Unter dem größten Druck steht ohne Zweifel die internationale Luftfahrt. Aus Gewichts- und Volumengründen gibt es faktisch keine Alternative (Batterien, H2, Kernreaktor etc.) zu Kerosin. Was wäre, wenn man nur diesen einen Verkehrssektor „klimaneutral“ machen wollte? Um den bereits 2019 verbrauchten Treibstoff künstlich herstellen zu können, bräuchte man nur für diesen einen Sektor die 3,7-fache Anzahl aller Kernkraftwerke weltweit oder die dreifache Menge aller weltweit installierten Windkraft- und Solaranlagen. Wer wird sich wohl durchsetzen: Frau Herrmann (Wirtschaftskorrespondentin der taz) und Anhänger, die lapidar sagen, „fliegen geht gar nicht mehr“ oder die Masse der Touristen?

e-Wasserstoff (H2)

Wasserstoff ist die „Grundchemikalie“ für die Herstellung aller e-fuels. Sie soll durch Elektrolyse als „Grüner Wasserstoff“ hergestellt werden. Für die Produktion werden 0,27 kg/kWh oder rund 9 Liter Wasser pro Kilogramm Wasserstoff benötigt. Ein echtes Problem auf dem offenen Meer oder in der Wüste. Wasserstoff könnte auch direkt als Kraftstoff verwendet werden. Um die Kosten (bis Zapfanlage, aber ohne Steuern etc.) anschaulich zu machen, werden im Weiteren alle Kosten in Euro pro Liter Diesel Äquivalent angegeben (€/lDÄ). Der Leser hat damit einen unmittelbaren Vergleich mit seinen realen Erfahrungen. Preisbasis ist das Jahr 2020. e-Wasserstoff hätte ein Euro pro Liter Diesel Äquivalent entsprechend 2,39 Euro pro Liter Diesel.

e-Ammoniak (NH3)

Aus dem Stickstoff der Luft und dem vorher erzeugten „Grünen Wasserstoff“ kann man mit dem Haber-Bosch-Verfahren Ammoniak herstellen. Ammoniak kann man als Kraftstoff in zum Beispiel Dieselmotoren nutzen (Container-Schiffe). Ammoniak ist allerdings giftig und bei Umgebungsbedingungen ein Gas. e-Ammoniak hätte ein Euro pro Liter Diesel Äquivalent entsprechend 2,05 Euro pro Liter Diesel.

e-Methan (CH4)

„Erdgas“ kann ebenfalls aus CO2 und Wasserstoff hergestellt werden. Beispielsweise durch die Sabatier-Reaktion bei 400°C und 30 bar Druck unter Verwendung von Katalysatoren aus Nickel und Ruthen. Allein Temperatur und Druck erfordern erhebliche Energie. Mit dem e-Methan kann man dann Fahrzeuge betreiben oder gar seine Wohnung heizen. Man muss nur über das nötige Kleingeld verfügen. e-Methan hätte ein Euro pro Liter Diesel Äquivalent entsprechend 2,38 Euro pro Liter Diesel. (Für Menschen, die demnächst so heizen müssen, Diesel entspricht in etwa Heizöl beziehungsweise 1 Kubikmeter Erdgas)

e-Methanol (CH3 OH)

„Methylalkohol“ ist eine Grundchemikalie, von der über 60 Millionen Tonnen jährlich produziert werden. Es ist Ausgangsstoff für zahlreiche Chemikalien, kann aber auch als Kraftstoff für Verbrennungsmotoren eingesetzt werden. Nachteil ist der gegenüber Benzin nur rund halb so große Heizwert – man braucht doppelt so große Tanks. Methanol ist giftig. e-Methanol hätte ein Euro pro Liter Diesel Äquivalent entsprechend 2,21 Euro pro Liter Diesel.

e-Benzin aus e-Methanol

Mobil hat ein Verfahren entwickelt, bei dem mittels Zeolith-Katalysator bei etwa 400°C und hohem Druck „Benzin“ aus Methanol hergestellt werden kann. Bei dieser Synthese entstehen etwa 70 bis 80 Prozent Rohbenzin und diverse andere Kohlenwasserstoffe. e-Benzin hätte ein Euro pro Liter Diesel Äquivalent entsprechend 2,50 Euro pro Liter Diesel.

Durch geringe Modifikation kann man mit diesem Verfahren auch Kerosin und Diesel produzieren. Es gibt zahlreiche Anlagen zur Veredelung von Kohle und Gas weltweit. Die Verfahren sind als „Mitteldestillate aus Methanol“ bekannt. Das entstehende Stoffgemisch kann in konventionellen Raffinerien zu Benzin, Diesel und so weiter weiterverarbeitet werden. e-Kerosin hätte ein Euro pro Liter Diesel Äquivalent entsprechend 2,46 Euro pro Liter Diesel.

e-Kraftstoffe mittels Fischer-Tropsch

Das Fischer-Tropsch-Verfahren (FT) stellt aus Synthesegas (CO + H) Kraftstoffe her. Es ist ein weltweit großtechnisch erprobtes Verfahren. Wenn man CO2 und „Grünen Wasserstoff“ verwendet, erhält man definitionsgemäß e-Kraftstoffe. e-Kraftstoffe über Fischer-Tropsch hätten ein Euro pro Liter Diesel Äquivalent entsprechend 2,80 Euro pro Liter Diesel.

Nachwort

Wer bis hier durchgehalten hat, dem sollte langsam dämmern, dass es bei dem Disput zwischen FDP und Grünen um viel mehr als die Frage „rein elektrisch“ oder „technologieoffen“ Autofahren geht. Jedem denkenden Menschen ist klar, dass es bis 2035 nie und nimmer zu einer voll elektrifizierten PKW- und LKW-Welt kommen wird. Dafür fehlt es an allem: zu teure Fahrzeuge für die breite Masse, keine ausreichenden Ladestationen, kein entsprechend leistungsfähiges Stromnetz und keine notwendigen Kraftwerke. Das e-Auto ist der Einstieg in kein Auto. Deshalb wird auch 2035 der Verbrennungsmotor marktbeherrschend bleiben – zumindest in den Weiten von Afrika, Russland und selbst auf dem amerikanischen Kontinent.

Aber es wird ohne Verbrenner keine deutsche Autoindustrie mehr geben. Sie wird nach dem gleichen Öko-Muster zerstört sein wie heute schon die Kerntechnik. Wie einst der Exportschlager Kernkraftwerke wird auch der Exportschlager PKW und LKW aus Deutschland Geschichte sein. Was natürlich den Rest der Welt nicht davon abhalten wird, weiter zu machen wie bisher. Es wird sich zeigen, ob Deutschland beim dritten Versuch des „Aufbau des Sozialismus“ diesmal erfolgreich sein wird.

Quelle Ausschnitt & Text

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert