Strom & Strommarkt & Strompreis aktuell: FAZ+ analysiert & kommentiert

Paris fordert eine Radikalreform des EU-Strommarktdesigns. Kann Berlin das zumindest ausbremsen? Die Interessen der Mitgliedstaaten weichen stark voneinander ab.

Deutschland steht mal wieder auf der Bremse. Am 14. März will die Europäische Kommission ihren von vielen Staaten lange geforderten Gesetzesvorschlag für eine Reform des europäischen Strommarkts vorlegen. „Ich rechne aber nicht damit, und ich hielte es auch für falsch, wenn sehr weitgehende Markteingriffe quasi aus der Hüfte geschossen kommen“, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck eben erst in Berlin.

„Diese Diskussion wird, so denke ich, erst nach der Europawahl mit voller Fahrt aufgenommen werden“ – also eher im Herbst als im Sommer 2024. Damit droht eine Neuauflage des Ringens um den EU-Gaspreisdeckel: Die Mehrheit der EU-Staaten dringt auf weitgehende Eingriffe in den Markt. Deutschland, die Niederlande und eine Handvoll kleiner (nordischer) Mitglieder – assistiert von der Europäischen Kommission – versuchen, das Schlimmste zu verhindern.

Vor allem Frankreich will nicht warten. Seit der Strompreis im Sommer 2022 Rekordhöhen erreichte und Ökostromerzeuger Riesengewinne einfuhren, dringt Paris auf eine grundlegende Reform des „Strommarktdesigns“. Kein EU-Gipfel, kein Energieministertreffen ohne Pariser Wortmeldung dazu.

Teuerster Energieträger bestimmt den Preis

Nicht nur die Franzosen lernten damals, was das Merit-Order-System ist. Es besagt, dass der teuerste eingesetzte Energieträger den Preis bestimmt. Anders gesagt: Gibt es genug Wind und Sonne und die Anlagen laufen auf Hochtouren, ist Strom billig. Sogar negative Preise sind möglich. Müssen aber Kohle- oder Gaskraftwerke angeworfen werden, um Lücken zu füllen, wird es teuer – erst recht, wenn der Gaspreis immer neue Höhen erreicht.

Die einfachste Antwort schien damals für viele Länder wie Frankreich, Spanien oder auch Griechenland, die Merit Order abzuschaffen, um so Strom- und Gaspreis zu entkoppeln. Dabei funktionieren viele Märkte so. Zudem hat das System Vorteile. Denn es setzt die richtigen Anreize.

Nur wenn die Preise zwischenzeitlich hoch sind, lohnen sich Investitionen in Wind- und Sonnenkraft – zumal die Kosten dafür zu 90 Prozent in der Bauphase entstehen. Hinzu kommt: Die Erzeuger halten keine anderen Kraftwerke für Dunkelflauten bereit, wenn sich diese im Bedarfsfall nicht bezahlt machen. Bundesregierung und EU-Kommission brachten deshalb eine andere Lösung ins Spiel.

Abschöpfung von Übergewinnen der Betreiber

So beschloss die EU zunächst einmal nur, vorübergehend „Übergewinne“ der Betreiber von Ökostrom- und Atomanlagen abzuschöpfen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprach zugleich eine fundamentale Reform des Strommarktdesigns und nahm auch die Option, die Merit Order abzuschaffen, nicht vom Tisch.

Inzwischen hat sich die Debatte – auch wegen sinkender Preise – weiterentwickelt. Von einer Abschaffung der Merit Order ist in keinem der zahlreichen Positionspapiere von EU-Staaten mehr die Rede. Die Kommission hat den Fokus in der Ende Januar eingeleiteten Konsultation zu dem Vorschlag anders ausgerichtet.

„Es ist erfreulich, dass diese unselige Debatte ein Ende hat“, sagt der Energieökonom Lion Hirth von der Berliner Hertie School. Das heißt aber nicht, dass damit tiefgehende Eingriffe in den Markt für Frankreich und Spanien vom Tisch sind. Sie setzen nur an einer anderen Stelle an. Nun sollen langfristige Verträge zwischen Staat und Erzeugern (Contracts for Difference, CfD) die Lösung bringen.

Besser kalkulierbare Einnahmen für Investoren

Die Idee: Der Staat vereinbart mit den Erzeugern für einen Zeitraum von etwa 20 Jahren einen Preis oder Preiskorridor für die Stromlieferungen. Wenn dann der Marktpreis – der Spotmarkt für Strom funktioniert weiter wie bisher – unter dem „Ausübungspreis“ liegt, zahlt der Staat dem Erzeuger die Differenz. Liegt der Marktpreis darüber, zahlt der Erzeuger an den Staat. Das hat für die Investoren den Charme, dass sie ihre Einnahmen besser kalkulieren können. Der Staat übernimmt das Risiko der Investition, subventioniert sie also. Das Instrument wird schon genutzt. Als „Erfinder“ gilt Großbritannien. In neun EU-Staaten von Dänemark über Frankreich bis Spanien gibt es CfD.

Auch die Bundesregierung ist offen. In einem gemeinsam mit den Niederlanden und fünf kleineren EU-Staaten vorgelegten Brief spricht sie sich für solche Langfristverträge aus, um den Ökostromausbau zu fördern. „Bis 2030 müssen wir eine drei bis viermal höhere Ausbaugeschwindigkeit von Wind- und Solarstrom erreicht haben“, sagt Matthias Buck von der Denkfabrik Agora Energiewende. „Es geht um eine Weiterentwicklung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes“, sagt Hirth.

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FAZ-Kommentar:

Das Stromnetz im Staatsdickicht

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