5 Tote, ein Selbstmord und das Jugendstrafrecht

Der Unfall wurde billigend in Kauf genommen!

Ob und wie viele Menschen verletzt, schwer verletzt, sterben würde, konnte Marvin H. nicht wissen. Mit 150 km/h wich der Mann einer Radaranlage aus:

5 Tote und ein späterer Selbstmord …

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… waren die Folge des Zusammenstoß´ mit dem auf der korrekten Spur entgegenkommenden Fahrzeugs.

Die Verhandlung gegen Marvin H., der schwer verletzt wurde, findet nach dem Jugendstrafrecht statt.

Dazu folgende Leserbriefe, die die Aachener Nachrichten am 3.2.2020 veröffentlichten:

 

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Michael Haas aus Alsdorf meldet sich zum Text „Unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ über den Prozess um den Raserunfall mit fünf Toten in Stolberg vor dem Amtsgericht Aachen, der nach dem Jugendstrafrecht verhandelt wird, zu Wort:

Mit tiefem Entsetzen verfolge ich seit diesem extrem traurigen, tragischen und verhängnisvollen Unfall die Geschehnisse um diesen Fall. Nicht nur der Unfall als solcher ist unfassbar, unheilbar und nie mehr gutzumachen – nein, auch die Aufarbeitung und Verfolgung des Straftatbestandes sind unfassbar. Fünf Menschen sind durch einen rücksichtslosen, unverantwortlichen und bereits juristisch aufgefallenen „volljährigen Menschen“ aus dem Leben gerissen worden. Ein weiterer junger Mensch wurde schwerst verletzt und das Leben der Hinterbliebenen unwiderruflich zerstört.

Und jetzt, nachdem im letzten Jahr bereits gegen Marvin H. ermittelt wurde, wird dieses Verfahren vor dem Jugendstrafgericht verhandelt? Zum Schutz dieses unzweifelhaft unfallverursachenden und rücksichtslosen Menschen? Das kann, soll und darf kein Zweck dieser Jugendgerichte sein. (Anm. d. Red.: Sind die Angeklagten zum Tatzeitpunkt zwischen 18 und 21 Jahre alt, liegt diese Entscheidung im Ermessen des Gerichts.) Denn das war 1967 bei der Begründung zu den Jugendgerichten auch noch alles anders – zum Beispiel Führerschein und Alkohol erst ab 21 Jahren.

„In dem Ort Rot am See wird es nie mehr so werden wie vor der schrecklichen Tat, und mein Mitgefühl richtet sich sehr an die Menschen dort. Das ‚Grauen’ wohnt oft nur ein paar Häuser entfernt.“

Christa Mund, Leserin aus Stolberg

Wenn wir in Deutschland seit 1975 die Volljährigkeit bei 18 Jahren definieren, sind die damit verbundenen negativen Konsequenzen (wie hier, bei einem Gerichtsprozess strafrechtlich mit aller Härte des Gesetzes verfolgt zu werden) genauso zu tragen wie die Positiven – zum Beispiel einen Führerschein zu machen und ein Fahrzeug verantwortungsvoll im Straßenverkehr bewegen zu dürfen. Eine fehlende Reife oder Alkohol dürfen für einen Beschuldigten in solch einem drastischen Fall nicht strafmildernd sein. Das ist ein Hohn für all diejenigen, die sich einwandfrei im Straßenverkehr bewegen und natürlich ein Schlag ins Gesicht für die Hinterbliebenen. Hier sollten auch klare Zeichen gesetzt werden, dass solche Menschen sich endlich einmal auch verantworten müssen und für ihr Verhalten/ihre fatalen Taten geradestehen.

Hans-Jürgen Nikola aus Baesweiler kritisiert ebenfalls die Einordnung ins Jugendstrafrecht:

Jetzt, wo der Prozess beginnt, sind alle über 20 Jahren plötzlich wieder minderjährig. Sonst den Mund weit auffreißen, aber wenn eine hohe Strafe zu erwarten ist, bin ich wieder Kind. Wollen doch alle so erwachsen sein. Dann aber auch die volle Breitseite des Gesetzes.

Doris Wolf aus Stolberg meldet sich zum Artikel „Eine verhängnisvolle Nacht im Dezember“, eine Zusammenfassung der tragischen Ereignisse vor dem Prozessbeginn gegen Marvin H., zu Wort:

„Wenn Menschen bis 21 Jahren die Möglichkeit haben, bei Straftaten unters Jugendschutzgesetz zu fallen, dann lassen wir sie doch bitte, wie vor Jahren, erst mit 21 Jahren volljährig
werden.“

Doris Wolf, Leserin aus Stolberg

Der lang erwartete Prozess gegen den BMW-Fahrer findet nun statt. Doch nicht wie erwartet vor dem Landgericht, sondern vor dem Amtsgericht. Also nicht mehr als vier Jahre, eher weniger Strafe sind zu erwarten. Da der Angeklagte zur Tatzeit zwischen 18 und 20 Jahre alt war, wird hier das Jugendstrafrecht angewandt. Welche abschreckende Wirkung soll von solch einem Urteil ausgehen? Jetzt stellt sich mir hier die Frage, und ich glaube, nicht nur mir: Mit 18 Jahren darf man wählen, ist voll geschäftsfähig, den Führerschein darf man schon mit 17 Jahren machen und mit 18 ein Fahrzeug allein führen. Wenn aber eine Straftat verübt wird, dann wird auf einmal das Jugendstrafgesetz angewandt. Ist das in Ordnung? Monate nach dem Unfall einen Prozess wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung, Strafe 250 Euro (also schon einmal mit einem blauen Auge davongekommen). Er entwendet ein Fahrzeug eines Kunden aus der Werkstatt seines Vaters, fährt mit total überhöhter Geschwindigkeit, verursacht einen Unfall, bei dem fünf Menschen ums Leben kommen. Der Unfallverursacher hat im Vergleich zu allen anderen Beteiligten verhältnismäßig wenig. Er hatte schon einmal einen Freibrief, und anstatt in sich zu kehren, verursacht er einen Unfall mit fünf Toten. Was kommt als nächstes? Um aus seinen Fehlern zu lernen, ist es in meinen Augen wichtig, Konsequenzen aus seinem Handeln zu erfahren/ertragen. Wo bleiben die für den Unfallverursacher?

Stimmt, ich vergaß, eine schlimme Kindheit! Wie ganz viele andere auch. Wenn Menschen bis 21 Jahren die Möglichkeit haben, bei Straftaten unters Jugendschutzgesetz zu fallen, dann lassen wir sie doch bitte, wie vor Jahren, erst mit 21 Jahren volljährig werden. Erwachsen mit allen Rechten und Pflichten – ohne Wenn und Aber! Vor allem sollte man einmal an die Hinterbliebenen denken …

Heike Bohnes aus Aachen meint zum Beitrag „Unter Ausschluss der Öffentlichkeit“:

Da klaut ein junger Erwachsener ein Auto (Anm. d. Red.: Der BMW, mit dem er am Tag des Unfalls kurz vor Weihnachten 2018 unterwegs war, stand in der Werkstatt seines Vaters und gehörte einem Kunden. Die Ermittler gehen davon aus, dass Marvin H. keine Erlaubnis des Eigentümers besaß, das Auto zu fahren), richtet damit mutwillig nicht mehr gutzumachenden Schaden an und zerstört Menschen und Familien. Die Folge: Er wird juristisch als „Jugendlicher“ behandelt, und eine verhältnismäßig leichte Strafe ist absehbar. Das Vorgehen der Aachener Staatsanwaltschaft in diesem Fall löst daher nicht nur bei den in Ihrem Artikel zitierten Juristen Unverständnis aus. Ich denke, dass ein Großteil von uns Bürgerinnen und Bürgern, die potentiell alle hätten Opfer dieses risikoreichen Verhaltens des Mannes werden können, ob der ungewohnten, staatsanwaltschaftlichen Milde den Kopf schüttelt.

Heinz Schaper aus Stolberg äußert sich zum Artikel „Tödlicher Unfall bei Tempo 286: Anklage“:

Warum wird nur der Fahrer angeklagt? Wer baut Autos mit 520 PS? Vor allem aber: Wer erteilt für solche Autos eine Zulassung für den regulären Straßenverkehr? Wer geht hin und versichert solche Waffen? Wer zieht dafür Steuern ein?

Liebe Staatsanwaltschaft Essen, liebe Oberstaatsanwältin Birgit Jürgens, auch die in meinen Fragen angesprochenen Institutionen gehören angeklagt. Alle sind mit verantwortlich und lächeln wahrscheinlich nur müde über unsere Diskussionen bezüglich des „kleinen Waffenscheins“. Ein 520-PS-Pkw benötigt mehr als einen „großen Waffenschein“. Es gibt Lkw, die hätten gerne so einen Motor …

Christa Mund aus Stolberg geht auf den Bericht „Sechs Tote und viele offene Fragen“ über einen 26-jährigen Sportschützen in Baden-Württemberg, der sechs Menschen – offenbar ausschließlich Verwandte – erschießt, ein:

Der Bericht von „Rot am See“ ist sehr gut geschrieben. Das „Grauen“ in Worte zu fassen, ist schwer genug. In dem Ort Rot am See wird es nie mehr so werden wie vor der schrecklichen Tat, und mein Mitgefühl richtet sich sehr an die Menschen dort. Das „Grauen“ wohnt oft nur ein paar Häuser entfernt. Ich wünsche allen dort ein Zusammenrücken und eine Verarbeitung des Geschehens.

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